Zuerst veröffentlicht am 02.12.2015 auf www.piratenpartei-nrw.de – jetzt auch ergänzt um Links.
Vom 24. bis zum 31. Oktober 2015 habe ich mit der Parlamentariergruppe China des Landtages NRW China besucht. An dieser Stelle will ich über die Reise und auch über meine persönlichen Eindrücke und Einschätzungen berichten – ganz im Sinn unseres piratigen Transparenzanspruchs.
Die Parlamentariergruppe China
Parlamentariergruppen dienen dem internationalen Austausch, dem Aufbau und der Pflege von Kontakten. Es gibt im Landtag NRW insgesamt sieben solcher Parlamentariergruppen. Mehr dazu findet sich hier. Für Chinareisen der Parlamentariergruppe gibt es übrigens die Vereinbarung, dass die Abgeordneten den Großteil der Kosten selbst tragen, der Landtag schießt etwa 1/3 der Kosten hinzu. Für mich ergibt sich damit ein Eigenanteil von etwa € 2.500.-
Unsere Reisegruppe bestand aus 13 Personen, davon 11 Abgeordnete, alle Fraktionen waren vertreten, SPD, 3 Abgeordnete, CDU, 3 Abgeordnete, B90/Grüne, 1 Abgeordneter, FDP, 3 Abgeordnete, Piraten, 1 Abgeordneter. Hinzu kamen die persönliche Assistentin des Delegationsleiters und Leiters der Parlamentariergruppe, des Vizepräsidenten des Landtags, Dr. Gerhard Papke (FDP) und ein Ausschussassistent des Landtages.
China und NRW
Die Volksrepublik China ist ein zentralistisch geführter Einheitsstaat, von der Verwaltungsstruktur her vielleicht am ehesten vergleichbar mit Frankreich und seinen Regionen und Departements. Von daher sind die 22 chinesischen Provinzen nicht vergleichbar mit unseren 16 Bundesländern. Dennoch gibt es die Möglichkeit für Kooperationen zwischen deutschen Bundesländern und chinesischen Provinzen. Auf kommunaler Ebene gibt es bislang 19 Städtepartnerschaften zwischen Städten und Kreisen in NRW und China.
Ein Grund für die Existenz der Parlamentariergruppe China liegt schlicht und ergreifend darin, dass Nordrhein-Westfalen beginnend 1982 mittlerweile Kooperationen mit drei chinesischen Provinzen pflegt, Sichuan im Südwesten (Hauptstadt Chengdu), Jiangsu im Osten am gelben Meer (Hauptstadt Nanjing, die alte Kaiserstadt) und Shanxi im Norden Chinas (Hauptstadt Taiyuan). Und zur Zeit sind ca. 750 chinesische Firmen in NRW ansässig …. nein, die Restaurants zählen extra 😉
Reisefakten – Ultrakurzfassung
Unsere Reise führte uns von Frankfurt nach Shanghai (1 Übernachtung), von dort am nächsten Tag mit dem chinesischen „ICE“ nach Nanjing (3 Übernachtungen) mit einem 100km-Abstecher per Bus nach Gaochun, dann mit dem Flieger nach Taiyuan (2 Übernachtungen) und von dort per Flieger nach Beijing und direkt mit einem Anschlussflug zurück nach Frankfurt. Die Provinz Sichuan wurde auf dieser Reise nicht besucht.
Ein recht strammes Programm also mit Gesprächen mit chinesischen und deutschen Unternehmen, die sich jeweils im Partnerland engagieren, sowie mit Gesprächen und Essen, zum einen mit lokalen Politikern, d.h. Amtsträgern oder Vertretern der regionalen Volkskongresse, zum anderen mit Studenten und angehenden Praktikanten. Des weiteren hatten wir zwei Gelegenheiten für kurze Spaziergänge sowie dreimal die Gelegenheit, Sehenswürdigkeiten zu besuchen. In zwei Fällen hatte dies auch eine konkrete politische Bedeutung.
Verhalten?
Grundsätzlich habe ich mir für Auslandsreisen von Parlamentariergruppen das Verhalten zu eigen gemacht, dass deutsche Parteipolitik dort keinen Platz hat. Das heißt aber auch, dass ich es nicht als meine Pflicht ansehe, etwa Frau Merkels Austeritätspolitik nach außen hin offensiv zu vertreten, und dass ich darüber hinaus – wie beispielsweise auf die Fragen von Studenten – bereitwillig zur Piratenpartei und ihren Zielsetzungen sowie den Unterschieden zu anderen Parteien sachliche Auskunft gebe. Im Vordergrund steht für mich aber – wie für jeden anderen Abgeordneten auch – das geschlossene Auftreten der Delegation. Für Reisen innerhalb der EU kann das m.E. lockerer gehandhabt werden. Das ist ja schon fast Innenpolitik ;-). Und was den Dresscode angeht, gilt für mich das, was der Gastgeber erwartet. Da die Chinesen bzgl. offizieller Treffen eher „konservativ“ eingestellt sind, heißt das für Männer: Anzug und Krawatte. Bei lockereren Treffen geht auch eine Kombination ohne Krawatte. Das ist keine übermäßige Anpassung sondern ein Entgegenkommen, denn ich will ja mit meinen Gegenübern ins Gespräch kommen. Bei abweichender Klamottage wäre das extrem erschwert bis unmöglich. Nicht entsprechende Kleidung wird schnell als respektlos bewertet.
Station 1: Shanghai
Ich bin das erste Mal in China gewesen. Und, ich bin begeistert. Trotz aller Kritik, die man haben kann, die Tibetpolitik, usw. China haut einen einfach um. Vor allem dann, wenn der erste Eindruck in einer Stadt wie Shanghai, dem Paris des Ostens, gewonnen wird. Das fängt schon auf der Fahrt vom Flughafen Pudong in die Innenstadt an. Was wir hier ein Hochhaus nennen, gilt dort eher als Bungalow. Shanghai hat den größten Containerhafen der Welt und liegt zudem an der Mündung des schiffbaren Jangtseflusses. Ein klassischer Umschlagplatz also.
Nach einem Mittagessen und Gesprächen mit den Shanghaier Vertretern von NRW Invest ging es zu einem kurzen Stadtspaziergang und dann zum Abendempfang beim deutschen Generalkonsul in Shanghai.
Dort gab es Interessantes zu China aus erster Hand, vom Konsul selbst und von seinen Referenten. Die chinesische Regierung ist sich durchaus bewusst, so schätzen die Konsulatsmitarbeiter die Lage ein, dass ihre Vorgehensweise gelinde gesagt nicht überall im Land auf große Gegenliebe stößt. Sie argumentiert aber in den Medien relativ offen gegenüber der Bevölkerung und baut dabei die Instabilitäten und desolaten Zustände im arabischen Raum als Warnung auf nach dem Motto, schaut doch mal auf den Irak, auf Ägypten, Libyen und Syrien, wollt ihr das? Uns geht’s doch gut.
Und wenn man es aus rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet, hat die Kommunistische Partei auch recht. China ist es in den letzten 25 Jahren gelungen, im Schnitt 600 Mio Menschen über die relative Armutsgrenze zu heben in einen bescheidenen Mittelstand, bei einer Bevölkerung von insgesamt 1,37 Mrd. Menschen. Daraus kann geschlossen werden, dass in Partei und Regierung Chinas eher langfristig gedacht und gehandelt wird. Das ist ganz sicher auch mit einem politischen Trägheitsmoment, mit Beharrungskräften in den Gruppierungen, die die Macht innehaben, gekoppelt. Gleichwohl gibt es aber auch dort Trends zur Veränderung. Der Partei ist es wichtig, dass die Auseinandersetzungen um Zukunftsfragen innerhalb der Partei – hinter verschlossenen Türen – geführt werden und nicht außerhalb. Das unterscheidet China wesentlich von den Mehrparteien-Demokratien des Westens.
Ich persönlich bin, was die zukünftige Entwicklung des Landes angeht, vorsichtig zuversichtlich. Und das liegt u.a. auch daran, dass es in China ein wahrnehmbares relativ ausgeprägtes historisches Bewusstsein gibt, das auch die präkommunistische Zeit mit einschließt. An erster Stelle zu nennen sind hier der antike Philosoph K’ung-fu-tse, hierzulande auch Konfuzius genannt, sowie der präkommunistische Begründer des modernen China, Dr. Sun Yat-sen. Die Philosophie des Konfuzius hat die kommunistische Diktatur nicht nur überlebt, sie hat sie in der Praxis auch beeinflusst. Dies gilt insbesondere für das Prinzip der „Ordnung als Bedingung für Freiheit“, das heute mehr denn je herangezogen wird, auch die aktuelle rigoros plan-orientierte chinesische Wirtschaftspolitik gegenüber der Bevölkerung ethisch zu begründen. Dass dies andererseits auch negative Folgen hat, leuchtet ein, wenn man sich vor Augen führt, dass ein Flughafen, ein Kanal, ein Sportzentrum, ein Bahnhof nach Plan – zack! – ganz einfach gebaut wird. Und das in einer Geschwindigkeit, die schlicht atemberaubend ist. Betroffene Anwohner werden halt umgesiedelt.
Und, China ist ein Überwachungsstaat, da braucht man sich nichts vorzumachen. Kameras überall. Was mir in Shanghai und Nanjing besonders auffiel, gefühlt an jeder zweiten größeren Straßenkreuzung steht auf einer Ecke ein weißer, LKW-ähnlicher, zweiachsiger Wohnanhänger mit Deichsel, aber ohne Zugmaschine – mit einer Reihe kleiner ovaler Fenster unterhalb des Daches. Das Dach ist dicht bepflastert mit Kameras und Antennen, die in alle möglichen Richtungen schauen. Da wird einem schon mulmig. Bei der Einreise am Flughafen werden neben dem obligatorischen Scan von Reisepass und Visum noch mindestens zwei hochaufgelöste Fotos geschossen, Frontal und Profil, die der Beamte bei der Ausreise dann wieder auf seinen Monitoren hat. Darüber, dass die nach der Ausreise wieder gelöscht werden, habe ich nichts gehört … 😉
Natürlich kann das kritisiert werden, allerdings finde ich es vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse hier in Europa mehr als vermessen, – Stichworte VDS, Flüchtlinge, Rüstungsexporte, Nahrungsmittelexporte in Drittweltstaaten, die lokale Landwirtschaften per Preiskonkurrenz kaputtmachen, etc. – wenn europäische Politiker bei Chinabesuchen an die Einhaltung der Menschenrechte appellieren. Wir sollten uns da erst mal an die eigene Nase fassen. Gleichwohl ist die chinesische Politik grundsätzlich auch kritikwürdig. Wesentlich scheint mir hier die Aufrechterhaltung des Gesprächs zu sein. Den Gegenüber zu brüskieren ist niemals zielführend.
Den ersten Tag beschlossen wir bei milder Abendluft in der ziemlich hippen „Bar Rouge“, die an der „The Bund“ genannten Promenade am Ufer des Huangpu-Flusses gelegen ist. Von dort hat man eine großartige Aussicht auf die nächtliche Skyline von Shanghai. Und: das chinesische Bier der Marke Shintao ist mehr als bloß trinkbar, es schmeckt.
Am folgenden Tag besuchten wir die Geschäftsführung der ShangGong Shenbei Group (SGSB). Was hierzulande nicht allgemein bekannt ist, dieses Unternehmen kaufte vor einiger Zeit die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen deutschen Hersteller von Nähmaschinen und Industrienähmaschinen Dürkopp-Adler und Pfaff sowie den kleinen Hersteller von Nährobotern, KSL Keilmann. Drei deutsche Unternehmen unter chinesischem Management, gemeinsam schickt man sich jetzt an, die Position des japanischen Weltmarktführers JUKI anzugreifen.
Station 2: Nanjing, Provinz Jiangsu
Der Aufenthalt in Nanjing begann mit einem Treffen und anschließendem Abendessen mit Vertretern des auswärtigen Ausschusses des Volkskongresses der Provinz Jiangsu. Am nächsten Morgen besuchten wir auf unseren ausdrücklichen Wunsch hin und zur Freude unserer Gastgeber die Gedenkstätte zum Nanjing-Massaker. Während des zweiten japanisch-chinesischen Krieges 1937 besetzten japanische Soldaten Nanjing und verübten unvorstellbare Grausamkeiten an der Zivilbevölkerung. Historiker sprechen von 200.000 bis 300.000 Morden und 20.000 Vergewaltigungen. Dieses Massaker spielt nach wie vor eine wesentliche Rolle für das chinesisch-japanische Verhältnis, denn eine offizielle Entschuldigung Japans steht bis heute leider aus. Nicht nur nach meiner Auffassung würde es zu einer deutlichen Verbesserung der Beziehungen kommen, wenn eines Tages ein japanischer Premier diese Gedenkstätte besuchen und dort einen Kniefall – wie seinerzeit Willy Brandt in Warschau – hinbringen würde. Aus Gesprächen mit unseren Gastgebern gewann ich den Eindruck, dass man geradezu darauf wartet.
Im Anschluss gab es einen kurzen Stopp beim John-Rabe-Haus, das heute Museum und Gedenkstätte für den Siemens-Manager ist, der Mitglied der NSDAP war und während der japanischen Besetzung zusammen mit anderen Ausländern eine Schutzzone für die Nanjinger Zivilbevölkerung einrichtete. Eine verrückte Geschichte.
Am Nachmittag besuchten wir die Germanistische Fakultät der Universität Nanjing. Nach der Präsentation der Fakultät hatten wir Gelegenheit, mit den Studierenden und Dozenten zu diskutieren. Die Germanistische Fakultät hat zudem ein interessantes Motto, auf den Präsentationsfolien in Schwarz-Rot-Gold gesetzt: „LIFE IS TOO SHORT TO STUDY DEUTSCH.“ Deutsch wird allgemein als schwer zu erlernende Sprache empfunden. Auf meine Frage an eine Gruppe Studierende, warum ausgerechnet Deutsch, erhielt ich fast nur pragmatische Antworten. In China gibt es Mindestpunktzahlen für den Schulabschluss, die erreicht werden müssen, wenn man etwas Bestimmtes studieren will, ähnlich unserem Numerus Clausus. Deutsch liege dabei im Mittelfeld, erklärten mir die Studierenden, zusammen mit Französisch und Japanisch. Ein Student wurde genauer: „Meine Mutter sagte, Französisch studieren nur die Mädchen. Und mein Vater hasst die Japaner. Er sagte, wenn du Japanisch studierst, bist du nicht mehr mein Sohn. Studiere Deutsch, die Deutschen sind wenigstens anständig.“ Hmm.
Der weltoffene, neugierige Blick der jungen Frauen und Männer hatte es mir besonders angetan. Und was die eher pragmatische Entscheidung für das Studienfach angeht, bei vielen der jungen Leute kommt der Appetit tatsächlich beim Essen. Einige outeten sich regelrecht als Deutsch-Fans.
Es folgte ein Abendessen mit dem Vize-Gouverneur der Provinz Jiangsu, wo noch einmal ausdrücklich anerkannt wurde, dass wir die Gedenkstätte zum Nanjing-Massaker besucht hatten. Am Mittwoch-Morgen ging es zu einem Gewerbepark, in dem zwei deutsche Firmen ansässig sind, der KFZ-Zulieferer und -Hightech-Beleuchter Hella aus Lippstadt und der Starkstrom-Stecker-Hersteller (1000 V/ 63 A) Mennekes aus Kirchhundem im Sauerland. Hier ließ sich eine interessante Beobachtung bzgl. unterschiedlicher deutscher Firmenstrategien in China machen. Die Fa. Mennekes, die hierzulande in Sachen Elektromobilität unterwegs ist, baut in China aus in Deutschland produzierten Teilen u.a. Schaltschränke für chinesische U-Bahn-Systeme und hat dort einen hohen Marktanteil.
Hella hingegen betreibt in China neben der Produktion auch Forschung und Entwicklung mit deutsch-chinesischen Ingenieurteams. Man stellt sich bei Hella bewusst international auf und ist der Auffassung, dass über kurz oder lang auch in China das entsprechende KnowHow heimisch werden wird und nicht nur die nach Fernost ausgelagerte Produktion. Auf die Frage einer Kollegin, ob es Unterschiede zwischen den chinesischen und deutschen Ingenieuren gebe, antwortete der Hella-Manager, dass die chinesischen Ingenieure den deutschen in Sachen Fachwissen in Nichts nachstünden, dass aber die „kreativ-technische Problemlösekompetenz“ bei den deutschen weitaus besser entwickelt sei. Er führe diesen Vorsprung in erster Linie auf die starke Verschulung an den chinesischen Hochschulen zurück.
Und was machen wir hier an unseren Hochschulen gerade? Verschulen. Na Prost Mahlzeit. Aber wir als Partei können uns wenigstens einen Teil der Argumente gegen zunehmende Verschulung in China abholen 🙂
Am Nachmittag folgte ein Trip in das etwa 100km entfernte Gaochun mit einem kurzen Spaziergang durch eine Altstadtgasse mit anschließender Besichtigung der Firma Jiangsu Gaochun Ceramics, einem auch international aufgestellten Hersteller von – wen wundert’s 😉 – chinesischem Porzellan. Großartig.
Was mir besonders ins Auge fiel, am Ende der Altstadtgasse steht eine Art Gemeindehaus, mit einem digitalen 4 mal 3m Videoschirm an der Außenwand. Man stelle sich das mal vor in einem Ort in Bayern oder im Sauerland ;-).
Am Abend sind wir dann zum Abschied mit den charmanten Kolleginnen von NRW Invest Nanjing traditionell chinesisch Essen gegangen.
Reisetipp Nanjing: in der Altstadt, Bierkneipe „Das Schiff“ – die heißt wirklich so – mit eigenem Brauhaus: naturtrübes helles und dunkles Obergäriges, Publikum: viele gutgelaunte lustige Einheimische und Ausländer, gute Livemusik.
Station 3: Taiyuan, Provinz Shanxi
Am Donnerstag ging es früh mit dem Flieger 960 km in nordwestliche Richtung nach Taiyuan, einer kleineren Provinzhauptstadt, die mit 4,2 Mio Einwohnern mal eben etwas größer als Berlin ist. Die Provinz Shanxi ist historisches chinesisches Kernland, heute spielt wirtschaftlich der Bergbau, Steinkohle, Kupfer, Bauxit (Aluminium) und Schwefel, eine große Rolle. Wir besuchten dort das deutsche Unternehmen CFT Compact Filter Technic aus Gladbeck, das Luftfilter für den Bergbau produziert und in Taiyuan direkt mit einer chinesischen Firma für schweres Bergbaugerät kooperiert.
Der Geschäftsführer erläuterte auch gleich die Firmenstrategie und -geschichte. Man sei aufgrund des Rückbaus der Steinkohleförderung in NRW, bei dem die Bergbauzulieferer von der Politik komplett vergessen worden seien, nach China ausgewichen, wo noch Kohle abgebaut wird. Darüber hinaus ist die Firma mit ihren Filteranlagen ebenfalls im Tunnelbau engagiert, so auch beim zur Kompensation des Wassermangels im gelben Fluss geplanten 300 km langen Tunnel durch das Gebirge nach Tibet. CFT sieht zukünftige Betätigungsfelder im Bereich der Umwelttechnik.
Am Nachmittag gab es ein Gespräch mit Vertretern des Ständigen Ausschusses des Volkskongresses der Provinz Shanxi und dessen Vizepräsidenten gefolgt von einem Abendbankett auf Einladung der Provinzregierung.
Der Freitag war einem Besuch bei der Development and Reform Commission (DRC) der Provinz gewidmet. Hier hatten wir die Gelegenheit, mit ehemaligen und zukünftigen Stipendiaten des Landes NRW zu sprechen, die über die Vermittlung der GIZ NRW (Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH) für eine gewisse Zeit für Praktika nach NRW kommen können. Diese Praktika können entweder bei Firmen oder in öffentlichen Institutionen abgeleistet werden.
Das Interesse gerade an Praktika in Deutschland ist allgemein sehr hoch. Meine Gesprächspartnerinnen und -Partner interessierten sich besonders für die Felder Umweltschutz und -Überwachung, Energiewirtschaft – hier waren die erneuerbaren Energien von besonderem Interesse – und Tourismuswirtschaft. Die Frage, wie viele Windräder es denn in Deutschland gebe, konnte ich nicht beantworten, ich habe allgemein auf die deutsche Politik zur Energiewende hingewiesen und verschiedene damit verbundene Probleme angesprochen, z.B. die der Nord-Süd-Trasse und der Energiespeicherung. Über das offensichtlich wachsende Umweltbewusstsein und -Interesse der jungen Generation habe ich mich sehr gefreut. Da die Praktikanten im Vorfeld sehr gut und schriftlich über die NRW-Delegation und ihre Mitglieder gebrieft wurden, sah ich mich vor der Aufgabe, die Piratenpartei zu „erklären“ (China in one week – pirates in 90 seconds). Hier kam das Sprachproblem zum Tragen, so dass ich unsere Dolmetscherin zu Hilfe rufen musste.
Auf die Frage eines jungen Mannes, warum Deutsch denn so schwer sei und was er tun könne, um besser zu werden, gab ich Hinweise auf die Internetseiten deutscher Fernsehsender und deren Mediatheken (youtube wie auch google und facebook sind in China gesperrt). Wann er begonnen habe, Deutsch zu lernen, stellte ich als Gegenfrage. Bei der Antwort bin ich fast vom Stuhl gefallen: ein Monat.
Am Nachmittag besuchten wir das UNESCO-Weltkulturerbe Pingyao, eine gut erhaltene und teilweise wieder aufgebaute Stadt, deren Gründung etwa 800 vC erfolgte. Interessant ist auch die chinesische Variante der Museumspädagogik. Es gibt in einigen Häusern und auf den Straßen live vorgetragene Spielszenen von Schauspielern in historischen Kostümen. So konnten wir eine Gerichtsverhandlung beobachten, bei dem der Ton von Konserve über Lautsprecher kam und die Schauspieler dazu die Lippen bewegten.
Und für unseren letzten Abend in China hatte sich der Chef des Amtes für Auswärtige Angelegenheiten der Provinz Shanxi etwas Besonderes einfallen lassen. Wir bekamen als kulturellen Nachtisch des Abendessens Einblick in die Produktion handgemachter chinesischer Nudeln, und zwar der langen dünnen, durch einen Nudeljongleur. Ein junges Paar brachte traditionell kostümiert fünf der etwa 20.000 Folklorestücke der Provinz Shanxi zu Gehör, von denen einige älter als 2000 Jahre sind. Sehr gewöhnungsbedürftig für westliche Ohren …
Fazit
Land und Leute haben mich begeistert. Dabei bin ich mir völlig bewusst darüber, dass den reisenden Abgeordneten aus dem Ausland eher „die Schokoladenseite“ vorgeführt wird, dass man ein bestimmtes Bild von China vermitteln will. Andererseits bestätigten mir aber Freunde und Bekannte, die China privat bereist haben, dass der Eindruck auch dann positiv ist, wenn die Reise touristischen Charakter hat. Bemerkenswert fand ich, dass Chinesinnen und Chinesen, die Deutsch sprechen, die ihre Gedanken auf Deutsch artikulieren, denen ich beim Formulieren zusehen konnte, einem in ihrem Denken überhaupt nicht mehr fremd vorkommen. Teilweise gewann ich den Eindruck größerer Nähe als beispielsweise zu einem Süditaliener oder einem Griechen. Und die Verwunderung darüber gewinnt nochmal richtig Kraft durch den Kontrast zur optischen Wahrnehmung, denn asiatische Gesichter sehen nun mal ganz anders aus, als die von uns da bize’s, von uns Langnasen. Ein Eindruck, den ich übrigens mit einigen Abgeordnetenkollegen teile. Besonders spannend finde ich die Tatsache, dass die chinesische Sprache und ihre Schrift mit Mehrfachbedeutungen operieren müssen. Ein Wort ist nicht einfach nur ein phonetischer Bezeichner für Irgendwas. So erklärte mir unser Dolmetscher in Nanjing, gleichzeitig Dozent an der germanistischen Fakultät der Uni und ausgewiesener Literaturfan, dass das chinesische Wort für Deutschland aus zwei Zeichen zusammengesetzt ist, dem Zeichen für Tugend und dem Zeichen für Land. Deutschland ist also das Land der Tugend. Hmm. Frankreich wiederum setzt sich zusammen aus den Zeichen für Gesetz und für Land, das Land des Gesetzes also.
Was ich ich China wahrgenommen habe, ist offene Mitteilsamkeit und große Neugier in der Kommunikation. Ich war schon vor der Reise nicht der Meinung, dass man vor China und seinen Menschen Angst haben muss. Das hat sich durch die Reise noch bestätigt. Vielmehr bin ich der Ansicht, dass bei unseren Landsleuten zum Teil vorhandene Ängste späte Auswüchse der Schuld sind, die Europa bei der Eroberung der Welt auf sich geladen hat. Nichteuropäer ticken glücklicherweise anders.
Eine gewisse Trinkfestigkeit ist für Chinabesucher übrigens von Vorteil. Es gibt oft hochprozentigen Reisschnaps. Auch das chinesische Wort für Prost!, Gānbēi!, wartet mit einer Doppelbedeutung auf. Es heißt ebenso, Trink aus!
Ein schöner Bericht, der in mir Erinnerungen wach ruft.
1978 im Zuge Chinas Öffnung zum Westen hatte ich das Glück, im Rahmen einer Sportdelegation China kennen zu lernen und Deutschland zu repräsentieren.
Es ist wirklich erstaunlich, was China in den letzten 30 Jahren bewegt hat.
Damals wie heute bekommt man nur das gezeigt, worauf die Chinesen stolz sind und das Ungleichgewicht im Land nimmt zu. Das führt zur Gefahr Bevölkerungsmigration, die man mit aller Macht verhindern möchte.
Mein richtiger Nachname bedeutet laut dem chinesischen Dolmetscher „Bombe“ oder „Granate“ , (daher hier als Pseudonym)