Meine Rede zu TOP 10 am Mittwoch, den 16. März 2016, zum rotgrünen Jubelantrag „Nordrhein-Westfalen ist bundesweiter Vorreiter für gute Beschäftigungsbedingungen an Hochschulen“, Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 16/11428
Dazu Entschließungsantrag der Fraktion der PIRATEN –
Drucksache 16/11502
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Freimuth. – Herr Dr. Paul für die Piratenfraktion. Bitte schön.
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte hochschulbesorgte Damen und Herren!
Dieser Antrag ist ein Selbstlob, das sei-nesgleichen sucht. Daher muss ich leider den Partycrasher spielen und ein bisschen Waser in den Wein gießen. Denn das, was hier abgefeiert werden soll, ist nach unserer Auffassung kein Erfolg für die Beschäftigten an den nordrhein-westfälischen Hochschulen. Dieser sogenannte Rahmenkodex „Gute Arbeit“ ist ein hochschulpolitisches Leerrohr. Wir finden Leerrohre eigentlich gut – aber nur, wenn darin Glasfaser liegt. Dieser Kodex entspricht aber eher einem 56k-Modem.
Die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes hier zu feiern, ist grotesk. Sie haben nur minimale Verbesserungen – das will ich gar nicht leugnen – erreichen können und feiern diese, als ob gerade das Rad neu erfunden wäre. Dem ist mitnichten so. Wir befürchten, dass es leider auch weiterhin prekäre Beschäftigung an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen geben wird. Stellen werden weiterhin sachgrundlos befristet bleiben; denn die Hochschulen haben immer noch die Hoheit über das Personal.
An dieser Stelle, Frau Freimuth, kann ich mit dem Mythos aufräumen, dass wir für eine Rücknahme der selbstständigen Hochschule sind. Wissenschaftsautonomie scheint sich für Sie in Personalverantwortung zu erschöpfen. Wir haben immer gesagt, dass wir damit etwas ganz anderes meinen. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen.
Darüber hinaus – auch das hat Herr Bell gesagt – möchte die Landespersonalrätekonferenz der wissenschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Landes NRW die Beschäftigten zurück im Landesdienst wissen, ebenso die GEW und Frau Kühn vom DGB. Na ja, der DGB ist ein Dachverband; da wird auch viel ausgehandelt. Die Leute im Bundesrat sind Ihre eigenen Leute; die müssen das ja auch toll finden.
Die Mutlosigkeit, dem New Public Management wirklich etwas konstruktiv-innovativ Neues entgegenzusetzen, drückt sich eben in diesen Befristungen aus. Das ist nach unserer Auffassung höchst innovationshemmend und auch wissenschaftspolitisch unverantwortlich.
Wir bleiben dabei: Erstens. Die Verankerung des „Rahmenkodex für gute Beschäftigungsbedingungen“, wie er im Rahmen des Hochschulzukunftsgesetzes festgelegt wurde, ist keine wirkliche Verpflichtung zur Verbesserung der Beschäftigungsverhältnisse.
Zweitens. Durch den „Rahmenkodex für gute Beschäftigungsbedingungen“ wurde kein NRW-Standortvorteil für die Beschäftigten geschaffen, da es sich lediglich um eine Absichtserklärung handelt, die arbeitsrechtlich nicht durchsetzbar ist.
Drittens. Die Entscheidung im neuen Hochschulzukunftsgesetz, das Personal nicht in den Landesdienst zurückzuversetzen – ich sagte es schon –, war falsch und stellt im Sinne des Grundsatzes der Verbesserung von Beschäftigungsbedingungen wirklich keine Weiterentwicklung dar.
Es ist also kein Grund zum Feiern, sondern eigentlich beschämend für den Wissenschaftsstandort NRW. Denn gute Beschäftigung an Hochschulen hat auch etwas mit Sicherheit zu tun, nämlich der Sicherheit, dass man sich im Sinne einer wirklichen Wissenschaftsautonomie völlig auf Forschung und Lehre konzentrieren kann, anstatt permanent durch Existenzängste und Existenzkampf und die Notwendigkeit, in Jahresfristen immer wieder neu zu planen, von seinen innovativen Aufgaben abgelenkt zu werden. Das ist innovationsfeindlich, und wir lehnen diese Augenwischerei ab.
(Beifall von den PIRATEN)
Unser Entschließungsantrag – ich weiß, Sie werden dem jetzt nicht zustimmen –
(Sigrid Beer [GRÜNE]: Ja, das stimmt!)
soll nur ein kleines Zeichen setzen und Ihnen zumindest formal die Gelegenheit haben, hier noch umzusteuern. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Schulze das Wort.