Meine Rede zu TOP 4 am 15. März 2016, Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung der Freien Berufe in Nordrhein-Westfalen anerkennen und fördern
Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP – Drucksache 16/13307 (Neudruck)
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft,
Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk – Drucksache 16/14417
Aus dem Plenarprotokoll:
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die Piraten-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Paul.
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen lieben Dank. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer hier und daheim!
Der Begriff „Chili con Carne“ fiel gerade; dazu ich muss sagen: Allein über die Ausgestaltung dieses Rezepts werden ja ideologische Grabenkämpfe ausgetragen. Aber sei’s drum.
Die 275.000 Freiberufler mit insgesamt über 700.000 Erwerbstätigen bilden einen wichtigen Eckpfeiler der nordrhein-westfälischen Wirtschaftslandschaft. Ohne Zweifel geht die besondere Bedeutung der Freien Berufe weit über die genannten makroökonomischen Zahlen hinaus. Die Besonderheit liegt in der hohen Qualität der angebotenen Dienstleistungen, die Freiberufler auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung persönlich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig sowohl für die Auftraggeber als auch die Allgemeinheit erbringen.
Über die Bedeutung und Wertschätzung der Freien Berufe besteht für uns kein Zweifel, und diese Haltung stellt in diesem Haus als Rahmenhaltung wohl einen allgemeinen Konsens dar. Der heute zur Beratung stehende Antrag der Fraktionen von CDU und FDP ist daher auf den ersten Blick durchaus zu begrüßen. Ein zweiter Blick offenbart jedoch einige Schwächen und Unklarheiten des Antrags, die einer Zustimmung durch meine Fraktion letztlich im Wege stehen; denn der Kern des Antrags besteht aus der Forderung nach einem neuen Forschungsinstitut für die Freien Berufe. Dabei gibt es bereits eine vielseitige Forschungslandschaft in Deutschland und auch in Nordrhein-Westfalen; hierbei stechen unter anderem Köln, Bonn, Lüneburg und Nürnberg hervor.
Natürlich ist ein weiteres Forschungsinstitut immer wünschenswert, aber eine verstärkte Kooperation der bestehenden Einrichtungen könnte den gleichen Effekt bringen. Und überhaupt: Welche Perspektive sollte dieses neue Institut bieten? Der Verband der Freien Berufe hat dazu klare Vorstellungen im Wirtschaftsausschuss geäußert: Es gehe im Kern darum, den eigenen Standpunkt gegenüber unerwünschten Reformideen aus Brüssel zu verteidigen.
So verständlich und respektabel diese Haltung für uns auch sein mag: Wir Piraten bekommen grundsätzlich Bauchschmerzen, wenn öffentliche Gelder für Forschungsinstitute eingesetzt werden sollen, obwohl das Forschungsergebnis von Anfang an festzustehen scheint, zumal völlig unklar ist, inwiefern auch die Blickwinkel von Kunden und Patienten der Freiberufler einbezogen werden. Um ein Beispiel zu nennen: Die Interessen von Arzt und Patient sind zwar oft die gleichen, dies muss aber nicht zwangsläufig immer so sein.
Eine gemeinwohlorientierte oder am Gemeinwohl ausgerichtete Forschung müsste also ganz grundsätzlich in der Lage sein, mehrere Perspektiven in den Blick zu nehmen. Dieser verbraucherorientierte Ansatz scheint uns aber in dem vorliegenden Antrag zu kurz zu kommen. Die weiteren Punkte – zwei, drei und vier – des Antrags können wir hingegen unterstützen.
Meine Damen und Herren, Sie sehen: Der Antrag wirft an manchen Stellen mehr Fragen auf, als er beantwortet. Wir werden uns deshalb wohlwollend enthalten, wobei ich hinzufügen möchte: Es gibt vielleicht ein Manko in der Abstimmungslogik, und man sollte in der Politik einmal etwas Neues ausprobieren. Wir Piraten tun das ja mit dem sogenannten „scored voting“. Auf einer Skala von -3 bis +3 bekäme dieser Antrag als Ausdruck der wohlwollenden Enthaltung eine +1.
Auch die Politik könnte sich ruhig einmal testweise einer solchen Abstimmungslogik unterwerfen. Schülerinnen und Schüler sowie Studierende sind dieser Punktelogik durch Bologna eh unterworfen. Wir würden also durchaus für eine testweise Einführung von Bologna für die Politik votieren. – Ansonsten: Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Paul. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Duin das Wort.