Meine Rede zu TOP 6 am 16. März 2017, Studiengebühren bleiben abgeschafft – Studierende und ihre Familien haben klare Aussagen verdient – Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN – Drucksache 16/14392
Entschließungsantrag der Fraktion der FDP – Drucksache 16/14501
Entschließungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/14508
Eine Grundsatzrede zu Studiengebühren unter Hinzuziehung des Krefelder Aufrufs des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren aus dem Jahr 1999.
Aus dem Plenarprotokoll:
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Paul.
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Also, das ist schon irgendwie krass hier. Um es gleich einmal vorweg zu sagen: Wir werden diesem Antrag zustimmen. Wir sind froh, dass die Studiengebühren in den bildungspolitischen Diskussionen deutschlandweit laufend an Relevanz verlieren, auch wenn die neoliberale FDP mit ihrem Entschließungsantrag wieder einmal eine Blendgranate zündet, indem von nachgelagerten, sozial gerechten Studienbeiträgen schwadroniert wird.
Es darf – Dank an Frau Freimuth – natürlich nicht unerwähnt bleiben, dass Herr Kretschmann in Baden-Württemberg, der sich in einer schwarz-grünen Koalition befindet, ausländische Studierende zur Kasse bitten möchte. Herr Berger, vielleicht möchten Sie umziehen. Sie sind ja eigentlich auch für Studiengebühren. Es muss Ihnen ja – das kann ich mir vorstellen – wehtun, hier vorne gegen Studiengebühren zu sprechen. – Aber sei es drum. Wir Piraten wollen eine gebührenfreie Bildung von der Kita über die Hochschule bis zur beruflichen Weiterbildung.
Ich werde mich im Folgenden grundsätzlich an der Argumentation des „Krefelder Aufrufs“ – des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren aus dem Jahr 1999 – entlanghangeln; denn dort ist in selten klarer Sprache ausgeführt, was es eigentlich mit Studiengebühren auf sich hat:
„Studiengebühren sind aus gesellschafts-, sozial- und bildungspolitischen Gründen abzulehnen. Sie lösen kein einziges Problem, sondern verschärfen“
– im Gegenteil –
„die Krise des Bildungssystems.“
„1. Studiengebühren befördern die Privatisierung sozialer Risiken. Bildung wird nicht mehr als ein öffentliches Gut“
– vielmehr als Ware –
„gesehen, dessen Nutzung als allgemeines Recht gilt, sondern“
– eher –
„als zu erwerbende und zu bezahlende Dienstleistung, mit der jedeR Einzelne in sein/ihr ‚Humankapital‘ investiert.
In diesem Sinne sind Studiengebühren integraler Bestandteil des neoliberalen Politikmodells, dessen Ziel es ist, außer Bildung auch z. B. Beschäftigung, Gesundheit und Altersvorsorge sowie andere gesellschaftliche Aufgaben auf den/die einzelne/n abzuwälzen.
Deswegen betrifft die Studiengebührendebatte eben nicht nur Studierende. Sie hat vielmehr eine gesellschaftliche Stellvertreterfunktion, um die Akzeptanz einer generellen privaten Kostenbeteiligung für alle weiterführenden Bildungswege … durchzusetzen.
2. Die sozialen Wirkungen und Steuerungseffekte von Studiengebühren sind gesellschaftlich schädlich.
Studiengebühren fördern ein antisoziales und entsolidarisierendes,“
– eher auf Konkurrenz ausgerichtetes –
„persönliches Bildungsverhalten und verstärken die gesellschaftliche Verantwortungslosigkeit des Wissenschaftssystems.“ Sogenannte bildungsferne Schichten werden noch stärker von weiterführender Bildung abgeschreckt.
3. Sozialverträgliche Studiengebühren kann es nicht geben!
Das ist ein Widerspruch in sich. Jede Verkoppelung von Bildungschancen mit der – strukturell ungleichen – privaten Einkommens- und Vermögensverteilung in der Gesellschaft reproduziert die entsprechende Ungleichheit in der Bildung.“
– Und Bildung ist ein Grundrecht, das wissen wir alle. –
(Ralf Witzel [FDP]: Was ist denn mit der PTA-Schülerin?)
„4. Die Behauptung, Studiengebühren würden die Entscheidungsposition von Studierenden innerhalb der Institution Hochschule stärken, ist falsch.
Das Gegenteil ist der Fall. Studiengebühren ersetzen Rechts-, Beteiligungs- und Mitwirkungsansprüche durch ein privates Marktverhältnis zwischen Verkäufern und Kunden. Die neue Freiheit der Studierenden wäre daher lediglich negativer Natur. Sie würde sich auf die Möglichkeit beschränken, zwischen Angeboten wählen zu können, auf deren Zustandekommen sie nicht den geringsten Einfluß haben.“
Dem wäre insoweit nichts hinzuzufügen.
Zu den Entschließungsanträgen: Den der FDP könnt ihr sowieso vergessen; das wisst ihr. In dem Antrag der Union wird sehr deutlich, dass sie zum Thema „Studiengebühren“ aktuell „Nachlaufen mit sich selbst“ spielt.
Ich bitte meine Fraktion, beide Anträge abzulehnen. Im Folgenden möchte ich mit euch zusammen wieder zu wichtigen Themen kommen. – Danke.
(Beifall von den PIRATEN – Karlheinz Busen [FDP]: Aber das dauert nicht mehr lange!)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schulze.