Meine Rede am 17.03.2017 im Landtag NRW zu TOP 2 – Willkommenskultur für Investitionen schaffen – Nordrhein-Westfalen braucht eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik für mehr Wohlstand und Beschäftigung – Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/14403
Aus dem Plenarprotokoll:
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Dr. Paul.
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Es ist wirklich auch eine ehrenhafte und vornehme Pflicht der Opposition, immer wieder Alternativen zur Politik der Landesregierung aufzuzeigen. Das versucht die CDU-Fraktion auch mit dem vorliegenden Antrag. Statt aber ein Feuerwerk aus 16 Punkten abzubrennen, wird daraus im Antrag billiger Theaterdonner und in der Rede schlechte Rhetorik von Herrn Wüst.
(Beifall von den PIRATEN und der SPD)
Was hier wiederholt wurde, ist die politische Debatte der 80er-Jahre: komplette Mottenkiste. Die Gegenwart hat euch längst überrollt. Ihr nährt wieder mal den alten Mythos, man könne entweder Industrie haben oder Umweltschutz. Ihr seid so gefangen in eurer Entweder-oder-Logik. Denkt doch mal „sowohl als auch“ oder „weder noch“. Das wäre vielleicht mal spannend. Aber nein, ihr klebt in diesem eindimensionalen Schema fest.
(Heiterkeit von Michael Hübner [SPD])
Die Vorstellung ist so etwas von out. Natürlich brauchen wir beides: Industrie und Umweltschutz. Und das ist auch möglich gerade durch moderne, innovative Technologien. Aber mit der Innovation hat die Union es ja nicht so.
Ich möchte die versammelten digitalen Inkompetenzen der Union einmal fragen:
(Heiterkeit von den PIRATEN und der SPD)
Wir lesen unter Punkt 2 im Forderungsteil des Antrages: „Mit Hilfe digitaler Anwendungen … Bürokratie …“. Und am Schluss steht noch etwas von „Mittelstand“. Werdet doch mal konkret. Was soll das denn sein? Faustkeile aus dem 3D-Drucker? Ernsthaft.
(Heiterkeit und Beifall von den PIRATEN und der SPD)
Da muss ich die Partei meiner Eltern wirklich fragen: Wie seid ihr aufgestellt? Müsst ihr gestern zu einem eindeutig wirtschaftspolitischen Thema jemanden ins Rennen schicken, der mit einem Schild auf der Stirn mit der Aufschrift „Ich habe mal vorgegeben, Pirat zu sein“ herumrennt und nicht mal im Wirtschaftsausschuss ist?
(Zuruf von Lothar Hegemann [CDU])
Das ist doch armselig!
(Beifall von den PIRATEN und der SPD)
Ähnliches gilt auch für die Hygieneampel oder das Tariftreue- und Vergabegesetz.
(Dietmar Bell [SPD]: Wo ist denn der Wüst?)
Hört doch einfach auf, den Leuten vorzugaukeln, der Wirtschaft ginge es spürbar besser, wenn wir niedrigere soziale oder Verbraucherschutzstandards hätten. Das ist doch Quatsch!
(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)
Das sind im 21. Jahrhundert auch nicht mehr die entscheidenden Fragen. Entscheidend sind ganz andere Indikatoren. Ich frage einmal die Landesregierung: Wie viel Prozent der Schüler bekommen heute einen guten Informatikunterricht, der junge Leute motiviert, sich mit modernen Technologien auseinanderzusetzen? – Die Antwort: zu wenige. Wie viele öffentliche Institutionen, Unternehmen und Haushalte haben Zugang zum Gigabit-Netz? – Die Antwort: zu wenige. Was tut die Landesregierung, um den täglichen Verkehrsinfarkt auf den Straßen NRWs endlich aufzulösen? – Die Antwort ist: zu wenig zu spät.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Dabei haben wir Piraten längst Lösungen ausgearbeitet, die das Land voranbringen würden – Stichwort „Fahrscheinfrei“.
(Arndt Klocke [GRÜNE]: 100.000 selbstfahrende Autos!)
Ihr könnt meinen Kollegen Oliver Bayer nachts um 3 Uhr wecken und entscheiden, ob ihr einen 15-minütigen Impulsvortrag oder eine zweistündige Vorlesung wollt. Das macht der stante pede.
(Zurufe von der CDU)
Welche Zukunftsindustrien und welche Forschungsabteilung hat die Landesregierung in den letzten fünf Jahren nach NRW geholt? Und ja, da muss ich versöhnlich werden – ich kriege das im Hochschulausschuss ja mit –: Da ist ein ehrliches, echtes Bemühen, das teilweise auch von Erfolg gekrönt ist, am Werk.
(Beifall von Arndt Klocke [GRÜNE])
Ich bin aber der Auffassung, dass man noch mehr machen kann.
(Eva Voigt-Küppers [SPD]: Wollen wir auch!)
Und zuletzt: Wann wird die Landesregierung endlich ihre Verwaltungsabläufe digitalisieren und damit effizienter gestalten? – Die Antwort ist: bis in das Jahr 2031. Weiter kann man den Nutzen der Digitalisierung nicht in die Zukunft verschieben. Was für eine schlechte Symbolik!
Meine Damen und Herren, die letzten fünf Jahre waren durchaus auch eine Zeit der verpassten Chancen, aber mit der Hygieneampel oder der Rechtssicherheit für die vier verkaufsoffenen Sonntage hat das rein gar nichts zu tun. Wir lehnen daher den Antrag der Union ab. – Danke.
(Beifall von den PIRATEN und der SPD)
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Duin.