Regieren ist ein zeitkritisches Geschäft, sagt der englische Management-Kybernetiker Stafford Beer. Wohl war. Beispiellos in der Geschichte der Bundesrepublik ist jedoch die aktuelle Bilanz der mit Kompetenz- und Konzeptlosigkeit glänzenden adhoc-Politik von Schwarzgelb. AKW-Laufzeitverlängerung – Guttenberg-Affäre – Kernenergiemoratorium – Haltung zur Flugverbotszone über Libyen, die Liste ließe sich noch verlängern.
So eben noch geplant erscheint das Gesetz zur Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke, vielleicht wurden ja damit dem GazProm-Schröder-Beispiel folgend lukrative Pöstchen in den Aufsichtsräten der Energiekonzerne in Aussicht gestellt,für die „Zeit danach“. Wundern täte es nicht.
Schließlich hat der Ministerpräsident Baden-Württembergs, Stefan Mappus, unlängst mal eben am Parlament vorbei für 4,7 Milliarden Euronen die Anteile des Landes am Energieversorger EnBW zurückgekauft, auf Pump!! und zu einem Preis, den Experten für etwa 1,7 Mrd zu hoch ansahen, wohlgemerkt vor der Katastrophe in Japan! Fast möchte man hoffen, dass er wiedergewählt wird, damit er gezwungen ist, das Ding auch selbst auszubaden. Unglaublich!
Aber wahrscheinlich wird wieder der Steuerzahler für die Fehlentscheidungen der – dieses Mal – politischen „Führungs-ebene“ aufkommen müssen, es wäre – man denke an die Finanzkrise – nicht das erste Mal. Da können wir wahrlich froh sein, in Deutschland eine so leistungsfähige Mittelstandskuh zu haben. In deren Euter ist schließlich immer noch was drin, das gehört gemolken. Auch aus dünner Milch läßt sich Butter machen, wenn man nur lange genug drauf einschlägt.
Nach den Ereignissen in Japan folgte auf Bundesebene prompt die Kehrtwende, das 3-monatige Moratorium mit überhastet angekündigten Überprüfungen der Sicherheitsstandards der bundesdeutschen Alt-KKWs, in einem Tempo, zu dem vorher gesagt wurde, solche Überprüfungen brauchten „Zeit“. Auf einmal gehts. Nun schickt man Norbert Röttgen ins Feld, der vom Umweltminister zum rhetorischen Veränderte-Randbedingungen-Begründungs-Stotterer mutiert. Was für ein Scheiß-Job das, Herr Röttgen!
Das für unmöglich gehaltene ist nun wahr geworden.
Nach der deutschen Risikostudie von 1979 (Phase A) ist alle 10.000 Reaktorjahre mit einem Kernschmelzunfall mit radioaktiver Belastung der Umwelt zu rechnen, allerdings nur alle 1 Mio Reaktorjahre mit einem Kernschmelzunfall mit mehreren akuten Todesfällen (akute Strahlenschäden). Kritiker bezweifeln diese Zahlen schon lange und weisen auf zahlreiche methodische Fehler und Ungenauigkeiten der Studie hin. Sie rechnen alle 1.000 Reaktorjahre mit einem Kernschmelzen, d.h., beim Betrieb von derzeit weltweit ca. 300 Kernkraftwerken ist durchschnittlich alle 30 Jahre ein schwerer Unfall mit zahlreichen Todesfällen zu erwarten. [http://www.umweltlexikon-online.de/RUBsonstiges/GAU.php] Man bedenke, Tschernobyl ist mal eben knapp 25 Jahre her.
Und genau das ist der Punkt. Wahrscheinlichkeitsrechnung bedeutet nämlich auch, dass ein Ereignis mit einer Wahrscheinlichkeit verschieden von Null mit einer Wahrschein-lichkeit von 1, also mit Sicherheit, eintritt, wenn man nur lange genug wartet. Aber das will man vorher nicht gewußt haben, und den Kritikern wird vorgeworfen, dass sie in Fukushima nun die Bestätigung ihrer Befürchtungen sehen.
Die Schwarzseherin Kassandra gilt so lange als Spielverderber und Unkenruferin, bis ein vorhergesagtes Ereignis eintritt, und dann wird sie – wie in einschlägigen Polit-Talkshows geschehen – für das Übel auch noch verantwortlich gemacht, was für eine Rhetorik.
Für Diplomatie und Außenpolitik gilt grundsätzlich und fernab von moralischen Wertungen, dass eine Maxime des Handelns die Vergrößerung des politischen Handlungsspielraums ist. Diesen hat die Bundesregierung gegenüber der arabischen Welt gerade eindrucksvoll verloren durch ihre Enthaltung im UN-Sicherheitsrat in der Abstimmung über eine Flugverbotszone über Libyen. Da hilft es nichts, dass man im Grunde befürwortet, den Schlächter Gaddafi an weiteren Übeltaten zu hindern und den Allierten Entlastungen in Afghanistan anbietet. Die arabische Welt wird sich merken, dass Deutschland sich der Stimme enthalten hat. In Frankreich nennt man Guido Westerwelle schon „le petit ministre des Affaires étrangères“, den kleinen Außenminister. Selbstverständlich ist die Unterzeichnung einer UNO-Resolution für eine Flugverbotszone keine leichte Entscheidung, allerdings demonstriert die Bundesregierung einen fragwürdigen Eier-Kurs, wenn man auf der einen Seite für diese Angelegenheit ist, andererseits jedoch – aus verständlichen Gründen – keine Ausrüstung bereitstellen will. Wäre eine Zustimmung zur Resolution nicht auch ohne direkte Beteiligung möglich gewesen?
Den absoluten Hammer leistete sich die Bundesregierung allerdings mit ihrem Verhalten zur Affäre Guttenberg. Zunächst trennt Frau Merkel die Anforderungen für den Job des Verteidigungsministers von Werten wie Ehrlichkeit und Anstand, die ihr Copy&Paste-Minister Guttenberg sich zuvörderst und öffentlichkeitswirksam selbst als politischen Maßstab auferlegt hatte, um im Anschluß der Opposition, die auf die Einhaltung der Regeln zu Promotionsverfahren pocht, im Verbund mit den BnB-Medien Bild und Bunte und ihrer populistischen Redaktoria eine Hetzkampagne zu unterstellen, wohl wissend, dass es die verdammte Pflicht der Opposition ist, auf die Einhaltung gesellschaftlicher Regeln zu pochen. Das ist nicht nur falsch, es ist einfach widerwärtig!
Letztlich war es dann der sich langsam und allmählich aufbauende Wut-Tsunami aus der universitär-akademischen Welt, der den Herrn Minister hinwegfegte.
Die Macht, sie gehört einfach in unsere Hände, und dafür ist jedes Mittel recht.
Macht? Macht nix. Die Wähler sind ja dumm.
Gebt Schwarzgelb bei den anstehenden Wahlen die Breitseite.
Nick H.