Liebe Vordenkerinnen, liebe Vordenker,
schon im August 2018 wiesen wir per Link auf eine Publikation des Schweizer Physikers Willy Bierter hin: „Wege eines Wanderers im Morgengrauen – Auf den Spuren Gotthard Günthers in transklassischen Denk-Landschaften“ und gaben der Hoffnung Ausdruck, dass dieses Buch das Werk des Ausnahmephilosophen Günther für einen größeren Leserkreis öffnen könne.
Wir freuen und nun außerordentlich, Willy Bierter als Autor mit gleich zwei Beiträgen in unserem kleinen webforum www.vordenker.de begrüßen zu dürfen! Sein Aufsatz „Denk-Wege – Gotthard Günthers Geburtsarbeit an einem neuen Format von Menschsein“, erstveröffentlicht auf dem Swiss Portal for Philosophy, Bern 01.09.2018, lässt vom bloßen Titel her eine post- oder gar transhumanistische Programmatik vermuten, hat jedoch mit solcherart ideologischen Wucherungen in Richtung technische Heilslehren rein gar nichts zu schaffen, im Gegenteil. Gleichwohl leidenschaftlich und zu einer aktuellen Zeit, in der wir nichts so sehr zu brauchen scheinen, wie eine Weiterentwicklung unseres rationalen Vermögens, wirbt Bierter für Weiterungen unserer denkerischen Möglichkeiten und damit auch unserer Handlungsoptionen, und das auf der Basis des Günther‘schen Werkes. „Als Kolumbus des 20. Jahrhunderts“ habe Günther, so Bierter, „den neuen Kontinent des transklassischen, mehrwertigen Denkens entdeckt und uns den Schlüssel in die Hand gegeben, der dazu dienen kann, aus dem Gitterwerk der das Leben zwanghaft überformenden zweiwertig-logischen Grammatik und damit aus dem Identitätszwang auszubrechen und das Tor zu neuen Sphären des Lebens und des Seelischen aufzustossen, wo wir neue Modelle des In-der-Weltseins entwickeln, unser Selbst- und Weltverständnis von anderen Fragestellungen und aus anderen Perspektiven her in den Blick nehmen können.“ Die Resultate dieser zwanghaften zweiwertigen Überformung, des monokontexturalen Diktats der klassischen ökonometrischen Modelle, sind aktuell überall zu beobachten als reale Bedrohung der aktuellen Biosphäre unseres Planeten.
Bierters Aufsatz geht dabei über die volle Distanz, von formalen sowie naturphilosophischen Überlegungen bis hin zu praktischen Hilfen und der wiederholten Aufforderung zu einer Kultur der praktizierten Übungen und Anstrengungen. Denn Weiterungen des eigenen Denkens sowie Bereicherungen der Standpunktoptionen sind weder beliebig noch intellektuell zum Nulltarif zu haben.
Zweitens stellt Willy Bierter das dritte Kapitel als Auszug seiner „Wege eines Wanderers im Morgengrauen“ , „Gedanken an spielenden Wassern“ exklusiv zur Online-Publikation zur Verfügung. Selbstredend hat dies einen werbenden Charakter und wir sind uns sicher, dass der Erwerb des ganzen Buches nicht nur für den Autor, sondern auch für die Leser*innen einen Gewinn darstellt. Denn Bierter nähert sich hier dem Philosophen Gotthard Günther über die denkend-kontemplative Fortbewegung, die eine ihrer vielleicht schönsten Entsprechungen in der Metapher des Wanderns findet. Und die spielenden Wasser transportieren selbstredend ein Heraklitisches Moment. Der das Wasser beobachtende Wanderer eröffnet einen neuen poetischen Blick auf Prozesse, auf die Interaktion zwischen Kognition und Welt, die einen befreienden Charakter haben kann und uns das Statische als nur einen Aspekt einer vielgestaltigen Wirklichkeit bewusst macht.
Am Samstag, den 23. November 2019 hielt der Philosoph, Psychoanalytiker und Begründer der Pathognostik, Prof. em. Dr. Rudolf Heinz, einen Vortrag im Rahmen eines interdisziplinären wissenschaftlichen Kolloquiums zum Thema „Identität: das Eigene, das Andere und das Fremde“, veranstaltet vom Verlag „Die blaue Eule“ in Kooperation mit dem Gemeinnützigen Recherchezentrum CORRECTIV – Recherchen für die Gesellschaft im CORRECTIV-Buchladen in Essen. Rudolf Heinz titelte seinen Beitrag „Eindüsterungen zum Identitätsproblem, pathophilosophisch“.
Wir präsentieren Rudolf Heinz Vortrag hier noch einmal separat in einem Blogbeitrag mit Timecodes und stichpunktartigen Kurzzusammenfassungen, denn Rudolf Heinz‘ Referat kann ohne weiteres und über den philosophischen Rahmen hinaus eine soziopolitische und allgemeinpolitische Relevanz unterstellt werden. Die von ihm begründete Pathognostik als radikalisierende Fortschreibung der Psychoanalyse war immer auch Mittel einer differenzierten Diagnostik gesellschaftlicher Verhältnisse.
Dementsprechend gelangt er zu deutlichen Aussagen, hier nur ein Beispiel. Die projektive Identifikation sei ein Abwehrvorgang, der wie alle Abwehrvorgänge unvermeidlich immer wieder kollabiere. Die Bescherung des Ganzen sei ein Verfolgungsverhältnis, das wesentlich paranoisch ist. Man gerate mit diesem Moralismusvorgang in die Sphäre einer kollektiven Pathologie, genannt Paranoia, die von Heinz zudem als die Universalpathologie unserer kapitalistischen Verhältnisse gesehen wird.
Textuelle Zusammenfassung und Video hinter dem Link.
Maybe the force …
Zu guter Letzt gibts zum Whynachtsfest und zum Erscheinen des neunten Teils noch einen Essay des Herausgebers mit dem Titel „Maybe the force – Science Fiction und Star Wars: Kehrtwendungen zwischen Mythos und Wissenschaft„, allerdings nicht hier, sondern auf Telepolis.
Viel Spaß beim Lesen und Stöbern.
Wir wünschen geruhsame Feiertage und einen guten Jahreswechsel sowie ein konstruktives Jahr 2020, herzlich, Ihr
Joachim Paul (Hg.)