Piraten ante portas!

– eine politische Kampfschrift

Der Status Quo der politischen Kräfte in der Bundesrepublik Deutschland

Überall ringen – gespenstisch – die Nichtlösungen von Gestern mit den Nichtlösungen von Vorgestern um die Bewältigung einer ganz und gar aus dem Rahmen schlagenden Zukunft„. (Ulrich Beck)

Dieser Satz des bekannten Soziologen passt hervorragend auf die programmatischen und Problemlösungs-Portfolios aller zur Zeit in Deutschen Bundestag vertretenen Parteien. Und quer durch alle Parteien gibt es eine weitere Schattenfraktion von Leuten, die Demokratie als einen Selbstbedienungsladen begreifen, wohlgemerkt, ein Laden, in dem nicht oder nur unzureichend bezahlt wird.
Beides trägt zur einem galoppierenden Verfall vor allem dessen bei, das wir Solidarität nennen, eine, wenn nicht die Grund-voraussetzung für Gesellschaft, Gemeinschaft überhaupt.

Und dies gilt in weiten Teilen nicht nur für die Bundesrepublik Deutschland. Wenn im Folgenden kurz auf die Parteien hierzulande eingegangen wird, dann findet dies ebenfalls Entsprechungen in allen westlichen Industrienationen, mit Unterschieden in den Ausprägungen der Parteiensysteme und den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Institutionen.

Diese Schattenfraktion kan man vielleicht mit dem Attribut „Neoliberalismus“ belegen. Der Ökonom Wolfram Elsner konstatiert hierzu:

„Seine politische und gesellschaftliche Strategie besteht darin, den Druck auf die Menschen durch gesell-schaftlichen und staatlichen Verfall so zu erhöhen, dass sie durch nichts mehr vom täglichen Kampf ums Überleben abgelenkt werden können. Für die Not, Scham, Erschöpfung und Zukunftsängste der einfachen Menschen bieten die ‚Neo-Liberalen‘ dann ihre umso autoritäreren staatlichen Rettungsversprechen an. Das Prinzip, auch noch die politische Ernte der eigenen bewussten Staats- und Gesellschaftszerstörung einzufahren, hat bei Thatcher, Reagan und Bush I und II funktioniert und funktioniert heute wieder bei den Tea-Party-Fundamentalisten, die die USA soeben ins Mittelalter zurückzerren. Seine bewussteren, kämpferischen Opfer und Gegner passen ohnehin nicht in die brave new world des ‚Neo-Liberalismus‘.“ (Quelle)

Schwarz, edel, konservativ?

In der immer noch größten Volkspartei, der CDU/CSU sind die Auswirkungen des uckermärkisch-bayerischen Zersetzungs-treibriemens Merkel-Seehofer mittlerweile unübersehbar. Die Parteiführungen der beiden so ungleichen Schwestern sehen sich vor ein massives Vermittlungsproblem gestellt, ihre in Pragma-tismusmäntelchen gehüllten Begründungsfloskeln rufen zunehmend wütendere Echos in Teilen der Parteibasis hervor, die ihre konservativen Grundwerte verraten sieht. Der in der Umarmung der Energielobby gegenüber der Merkel-Steinmeier-Regierung gewendete Zick-Kurs in der Energiepolitik erhält ein weiteres Post-Fukushima-Zack, zu dessen politischen Auswirkungen auch eine Demaskierung zählt. Ihrer Inhalte entleert und verraten geht es der Union nur noch um den bloßen Machterhalt. Dazu ist jedes Mittel recht. Dabei wäre das Beibehalten des ersten Ausstiegskurses nahezu problemlos möglich gewesen. Wie muss es um die Regierungsfähigkeit von Leuten bestellt sein, die ihre politische Ratio erstens in Form einer Zurschaustellung der Röttgen-Einsicht und zweitens erst dann zeigen, wenn das Kind in einen japanischen Brunnen gefallen ist?

Eine weitere Diskussion der Geschehnisse um den adeligen Betrüger schenken wir uns, das ist anderswo ausgeführt. Die Geschichte zeigte nur, dass für Frau Kanzlerin auch der Grundwert Ehrlichkeit letztlich Verhandlungsmasse ist. Die Quittung erhielten die Partei und der Herr Ex-Doktor in Form eines gigantischen Wut-Tsunami aus den sonst eher zurückhaltenden akademischen Szenen.

Rote Farbumschläge …

Mit Schröderung und Clementierung kam die neoliberalkonservative Wende innerhalb der zweiten großen Volkspartei, ein regelrechter Bruch mit ihrer Ideengeschichte, für den beispielhaft Namen wie Hartz IV stehen. Die ohne Zweifel richtige Erkenntnis, dass es sich bei der Arbeiterklasse um ein gesellschaftliches Auslaufmodell handelt, hat mit dazu beigetragen, dass man um zeitgemäß zu bleiben in überhasteten und vollständig ideenbefreiten Maßnahmen den letzten Rest der alten Parteibasis regelrecht verriet – ein Umstand, der sicher weitaus offener kritisiert worden wäre, wenn die Gewerkschaften ihr gegenwärtiges Führungspersonal nicht unter den Zahnlostigern rekrutiert hätten. So ist die Politik der SPD, die der Schröder-Fischer-Regierung, maßgeblich mit dafür verantwortlich, dass es zu einem Hedgefonds-getriebenen Kahlschlag sogar unter innovativen Mittelständlern in Deutschland kam. Bodenständige Unternehmen der Realwirtschaft wurden so zu Spielbällen von Spekulanten, die ganze Unternehmen sowie die gewinnbringendsten Teile von Unternehmungen unter dem Primat des Sofortgewinns der Weiterveräußerung und Rendite-Rufen regelrecht filetierten. Der wohl größte Irrtum des Handelns der betriebswirtschaftlichen Scheinintelligenzen besteht hierbei in der Praxis, Unternehmen wie statische Stückgüter und eben nicht wie laufende Prozesse zu behandeln. Zum Lohn erhielt der Hauptverantwortliche eine lukrative Position als „Putins Gasableser“ (Urban Priol).
Eine Neuausrichtung der Politik der Sozialdemokraten unter dem Vorsitzenden Gabriel – gleichsam Wasserträger und Steigbügelhalter für eine Steinbrück-Kanzlerschaft – wird als bloße Makulatur verenden, sowas macht man nicht „mal eben kurz“ zwischen den schröder-fischerschen und merkel-röslerschen Versagensregent-schaften. Die Möglichkeit einer neuen Regierungsübernahme angesichts des aktuellen schwarzgelben Desasters kommt viel zu früh, als das sich in der verbleibenden Zeit ein solider Gesundungs- und Neuorientierungsprozess installieren ließe.

Gelbe Uboote …

Frau Leutheusser-Schnarrenberger stellt – gegen Widerstände aus den eigenen Reihen – den letzten gleichwohl brüchigen Leuchtturm der Bürgerrechte innerhalb der FDP dar. Die kompetente Juristin wirkt etwas verloren innerhalb ihrer Partei, die nach der Machtübernahme durch die Fraktion der schreihälsigen Babyface-Neoliberalen Westerwelle, Rösler, Lindner und Lindner sowohl ihre Inhalte als auch ihr Personal systematisch zu zerlegen begann. Für ihren Niedergang ist allein die Partei verantwortlich, niemand sonst! In der aktuellen Situation muss man sich geradezu wundern, dass die FDP immer noch bei drei Prozent liegt und nicht niedriger. Unablässig werden in der FDP partikularinteressengetriebene Steuersenkungsgesänge zelebriert, die alte Mär des Zusammenhangs von unternehmerischen Investitionen und Arbeitsplätzen gebetsmühlenartig wiederholt, einerseits exorbitante Dummheit, wenn man noch daran glaubt, andererseits Volksverarschung, wenn man es eigentlich besser weiß. Die größte Dummheit allerdings ist der Glaube an die Dummheit der Wählerinnen und Wähler.

Es grünt so grün …

Bündnis 90/ Die Grünen sind eine Partei, die ebenso wie die Linke für sich in Anspruch nimmt, eine Protestpartei zu sein. Vordergründig betrachtet geht es den Grünen gut, reichlich bedient von der schwarz-gelben Berliner Koalition gewinnt man Prozentpunkt für Prozentpunkt in der Diskussion insbesondere um Umwelt- und Finanzthemen. Doch die Partei hat ein Problem. Der Zauber ihres Gründungsmythos aus Friedensbewegung, Frauenrechten und Umweltschutz ist längst verraucht. Es fehlt der Nachwuchs. Wie das? Trotz reihenweisen Parteieintritten? Es fehlt der junge Nachwuchs. Eine ganze Reihe der Schulabgängerinnen und Abgänger hat die Schnauze gründlich voll von der Technophobie und dem Technikskeptizismus ihrer grün ausgerichteten Eltern und Lehrer. Was einige wenige schon 1975 wussten, die politische Bewegung der Partei die Grünen pflegt in ihrem Kern einen hierarchischen und starren Wertkonservatismus der genau dem der Volksparteien CDU/CSU und SPD entspricht, nur eben mit grünem Vorzeichen. Soll heißen, die Inhalte – sofern vorhanden – sind teilweise andere, die Strukturen sind mittlerweile dieselben. Und was das konsequente Vertreten der eigenen Inhalte betrifft: Die Glaubwürdigkeit der Partei Bündnis90/ Die Grünen hat im Stuttgart des Jahres 2011 einen Sackbahnhof.

Vorwärts und doch zurück – Retro-Rot

Während des Schreibens dieser Zeilen hält die Partei „Die Linke“ ihren Bundesparteitag ab. Erstmals deutet sich das Entstehen eines Vollprogramms an unter dem Label „Demokratischer Sozialismus“. Mit Hilfe der „Standortschärfung“ will man vor allem Wählerstimmen zurückgewinnen, die an die SPD und die Piratenpartei verloren gegangen zu sein scheinen. Dabei hat die Partei ein massives Glaubwürdigkeitsproblem. Ohne die „Senioren“ Lafontaine und Gysi scheint nichts zu funktionieren. Ideologisch rekurriert man auf alte, zunehmend unrealistischere Formeln wie einen reaktionären und allumfassenden Verstaatlichungswahn, der erwiesenermaßen schon mehrmals nicht funktioniert hat. In ihren Zeitdiagnosen mag die Linke in manchen Punkten recht haben, ihre Therapievorschläge sind wenig konstruktiv und tragen den strukturellen Veränderungen in der Welt in keiner Weise Rechnung. Personell ist man durch innerparteilichen Pöstchen-Hickhack zerfressen. Die Machenschaften z.B. eines Herrn Bartsch wurden an anderer Stelle treffend kommentiert. Entscheidungen werden oft in bewährter Hinterzimmermanier getroffen, Transparenz und Vernetzung verenden innerhalb einer Karriereleiterhierarchie. Eine große Unzufriedenheit zeigt sich gerade an der Basis in kommunalpolitischen Bezügen. So wechselte unlängst ein Ratsherr aus dem Rheinland sein Parteibuch zugunsten der Piratenpartei und begründete dies mit mangelnder Transparenz innerhalb der Linken.

Wer sind die Piraten?

Zur Beschäftigung mit der Piratenpartei bietet sich ein Springen oder Surfen zwischen zunächst zwei Perspektiven an, zum einen die Sicht auf das Phänomen von außen, die dem Verfasser – selbst Pirat – nur über reflektierendes Abstand Nehmen und den Spiegel der Medien möglich ist, und zum Anderen die Innenschau aus der Bewegung der Piraten heraus. Desweiteren werden zwei Quellen empfohlen, ein kurz nach der Bundestagswahl 2009 erschienes Buch von Henning Bartels, „Die Piratenpartei“, das die Entstehung der Bewegung dokumentiert und auch online verfügbar ist, und ein zugegebenermaßen von der Begeisterung des Anfangs getragener Aufsatz des Verfassers Warum Deutschland die Piratenpartei braucht“ aus dem Jahr 2009.

Schon der Name Piratenpartei provoziert oder ruft gar eine gewisse Empörung hervor. Dabei ist er auch in einem hintergründigeren Sinn absolut passend. Das altgriechische „peirates“ bedeutet einfach „Angreifer“. Die Mitglieder der Piratenpartei und ihre Sympathisanten greifen die bestehenden politischen Verhältnisse an, darüber hinaus wird nach neuen und alternativen Wegen gesucht, Probleme „in Angriff“ zu nehmen.

Die kulturelle Differenz

Was die Piraten zunächst abseits jeder inhaltlichen oder thematischen Frage von allen anderen Parteien unterscheidet, ist ihre Sozialisation. Diese fand nicht oder nicht nur in irgendwelchen Jugendverbänden oder Parteien statt, sondern im Internet. Neben dem Nimbus als Partei der Jungen gibt es darüber hinaus auch eine „Fraktion Ü45“ innerhalb der Partei, die sich aus Leuten zusammensetzt, die aus dem Kreis der Inventors und Early Adaptors des Internet stammen und die Anfänge von Internet und WWW selbst miterlebt und mitgestaltet haben. Natürlich haben auch die anderen Parteien im Netz sozialisierte Mitglieder und Abgeordnete, diese sind jedoch gegenüber klassischen Politikern deutlich in der Minderheit.

Das Netz und sein täglicher Gebrauch in vielerlei Alltagsbezügen führt zu einem Evidenzerlebnis des Ich, das das eigene Denken und Erleben nachhaltig verändert. Die politische Geschäftsführerin der Piratenpartei, Marina Weisband, brachte es in der Bundespressekonferenz am 05.10.2011 auf den Punkt mit dem Satz: „Das Internet hat unsere Art zu denken völlig verändert, und das muss man nicht nur begreifen, das muss man nutzen.“ (Quelle, youtube)

Und der Blogger und Piratensympathisant Michael Seemann, der noch die internetlose Zeit erlebt hat, fasst dieses neue Lebensgefühl in den einleitenden Worten seines Beitrags zur OpenMind 2011 „Die gesellschaftliche Singularität ist nah“ gut zusammen:

Wenn ich zurückdenke – [….] – an meine Jugend, an mein altes Ich in meiner alten Welt, dann ist davon nicht viel übrig geblieben. Es war ein komplett anderes Lebensgefühl, ein anderes Bewusstsein von Welt und Zeit, in dem wir lebten. Wir telefonierten selten und nur kurz, weil das ja teuer war ….

Der Verfasser dieser Zeilen – aktuell 54 – bestätigt und unterschreibt das vollumfänglich. Es geht also in erster Linie um eine junge, neue Ich-Erfahrung, die Erfahrung, ein Knoten in einem Netz zu sein, der Beziehungen und Bindungen mit anderen über das Netz unterhält und teilt. Dies hat eine deutlich emotionale Komponente, die der Blogger Sascha Lobo „Netzwärme“ nennt (Menno, hätte von mir sein können, der Begriff!).

Bindungen und Emotionen

Man kann diese – nunmehr im Netz begründete – Emotionalität gar nicht hoch genug einschätzen, denn aus ihr gewinnt der Wille zum politischen Denken und Handeln seine Motivation und damit seine Wirklichkeit. Es war auch die jetzt schneller als bisher über das Netz vermittelte Erfahrung, dass es anderen ebenso geht wir mir, dass ich letztlich nicht allein bin mit meinem Leid, meiner Wut und meinen Problemen, die 2011 Tunesier und Ägypter auf die Straße trieb. Internet und Web2.0 wurden somit zwar nicht zur Ursache, jedoch zu einem wichtigen Katalysator der Revolution in der arabischen Welt. Der Stanford-Soziologe Mark Granovetter nennt dies die Stärke der schwachen Bindungen, the strength of weak ties, und führt damit einen neuen Begriff in die Mikrosoziologie ein.

Zieht man einmal die Zeit ab, die die menschliche Datenverarbeitung des Schreibens, Lesens und Druckens benötigt, dann breitete sich die Revolution der Buchdrucktechnik in der frühen Neuzeit mit den Geschwindigkeiten der Pferdekutsche und des Segelschiffs, also etwa 15 km/h, über Europa aus. Die „Netzrevolution“ – ebenfalls mit entsprechenden Abzügen – wird darüber hinaus nur noch durch Relaiszeiten von Servern gebremst, sie besitzt annähernd Lichtgeschwindigkeit.

Unsere Fähigkeit und unser Zwang zum Eingehen von starken persönlichen Bindungen liegt bereits in unserer Abstammung von gruppenbildenden Säugetieren, hingegen ist die Möglichkeit des Eingehens von schwachen Bindungen über Entfernungen jenseits unserer biologischen Reichweite hinweg ein Ergebnis unserer Technik. Was die schwachen, die Telekommunikationsbindungen stark macht, ist ihre schiere Zahl. In seinen Überlegungen zur telematischen Gesellschaft sagte Vilém Flusser bereits in den 80er-Jahren voraus, dass sich durch diese Bindungen unser Erleben von Raum und Zeit ändert: „Wir sind ganz anders DA!“ [1]

Also Zeit und Raum schrumpfen und der Erlebnisbereich der Gegenwart wird vergrößert. Dieses andere DaSein hat zwangsläufig politische Konsequenzen – und diese sind keine historischen Eintagsfliegen, ganz unabhängig davon, ob die Partei sich morgen auflöst oder nicht. Im Netz Sozialisierte denken und fragen anders. Ganz einfach weil ihre ErlebnisRaumZeit eine andere ist. Und das wird so bleiben.

Wenn ihr nicht werdet wie die anderen …

Überspitzt formuliert schwingt selbst in euphorischeren Pro-Piraten Pressekommentaren zum Berliner Wahlerfolg der Unterton mit – ihr werdet euch professionalisieren müssen, werden müssen wie die anderen, wenn ihr Bestand haben wollt.

Eine Notwendigkeit von Lernprozessen soll hier gar nicht in Abrede gestellt werden.

Aber sollten die Piraten dann „wie die anderen“ geworden sein, wird es heißen, wozu brauchen wir euch noch, ihr seid ja „wie die anderen“.

Dazu wird es allerdings nicht kommen, denn: Es ist die Netz-Sozialisation der Netz-Identitäten, die vor diesem Monosprech-Double-Bind durch die Print- und TV-Medien schützt.

Zu werden wie die anderen, sich professionalisieren, das bedeutet unter heutigen Rahmenbedingungen auch eine politische Standortbestimmung im eindimensionalen Links-Rechts-Schema. Sind die Piraten eher rechts oder links? Die Frage scheint so wichtig, dass manchmal selbst Piraten daran verzweifeln und in Ermangelung besserer Bezeichnungen auf altbewährte Label zurückgreifen.

Aber die Netzidentität, die sich durch ihr Relationenfeld definiert, kennt anders als die Sitzplätze im Reichstag weder rechts noch links, die Knoten eines Netzes haben in allen Richtungen Nachbarn, und ob ein Netzknoten rechts oder links ist, hängt wiederum davon ab, wo man gerade steht und wohin man blickt. Das Netz kann man sich etwa auf die Form einer Kugel aufgezogen vorstellen. In der Tat war die erste populäre Visualisierung des Internet – so um 1997 – im Magazin Spektrum der Wissenschaft kugelförmig. Potentiell ist jeder Knoten die Mitte, ein Zentrum.

Die Differenz liegt oft in der Mitte …

Der politischen Konkurrenz dämmert es so ganz allmählich und treibt ihr dabei den Angstschweiß auf die Stirn, die Piraten kommen aus der Mitte der Gesellschaft!

Dabei ordnen sich die Mitglieder der Partei über eine Art Wir-Logik, eine Netzlogik, die sich nicht mehr in der gewohnten bipolaren Eindimensionalität fassen lässt.

Politikhistorisch stehen die Piraten sowohl zwischen als auch jenseits der alten Gegensätze von Rechts und Links und von liberal und sozial. Dies begründet sich nicht durch die teilweise recht scharfen politischen Positionen einzelner Mitglieder, sondern durch die Zusammensetzung der Mitglieder!

Denn in der Piratenpartei versammelt sich eine ganze Reihe unterschiedlicher Weltanschauungen, man trifft neben Atheisten und Agnostikern auch tiefreligiöse Überzeugungen. Gemein sind ihnen die Ideen der Freiheit, des Respekts gegenüber Andersdenkenden und der Solidarität. Und sie vereint eine fast rührend zu nennende Verehrung für „die alte Tante Demokratie“, der sie einen Jungbrunnen verpassen wollen. Rührend deshalb, weil die alte Dame seit der Entstehung ihrer Idee oft genug missbraucht worden ist. Insbesondere in den Hallen der Macht der Neocon-Lager wird Demokratie solange als nützliches Tool angesehen, solange genügend andere an sie glauben. Möglicherweise gibt es sogar unter den Piraten Leute, die die Erlangung des ein oder andern Pöstchens als Erfüllung ihrer feuchten Hierarchieträume ansehen. Denn „bessere Menschen“ sind die Piraten nicht. Glücklicherweise gibt es unter ihnen eine gesunde Abneigung gegenüber Heilslehren. Das wiederum macht sie zu Pragmatikern. Technikaffin sind sie sowieso.

Und allzu ausgeprägte Hierarchiedenker können gegebenenfalls durch die Selbstregulierungskräfte des Netzes gebunden werden. Für sie gilt vielleicht sinngemäß das Wort des Journalisten Chip Morningstar über die Spielwelten der Multiuser-Dungeons: „Wenn jemand das Verhalten anderer kontrollieren möchte, wird er diese „virtuellen“ Welten als extrem frustrierend empfinden.“[2] (Anf.-zeichen durch Verfasser)

Dies setzt allerdings die gerade deshalb von den Piraten immer wieder geforderte Netzneutralität voraus.

Die Veränderungen des Denkens und Handelns durch die Erlebenswelten des Netzes in die Offline-Welt zu tragen ist nur eine Seite einer Wechselbeziehung zwischen uns und unserer Netztechnik. Ebenso verändern und gestalten wir das Netz durch unser Denken und Handeln. Und dies, so eine zentrale Forderung der Piratenpartei, soll möglichst in Freiheit und Mündigkeit geschehen.

Mündigkeit aber setzt eine gewisse Grundbildung voraus. Konsequenterweise nehmen daher bildungspolitische Aspekte im Grundsatzprogramm und in allen Programmen der Landesverbände der Piratenpartei einen zentralen Raum ein.

Schlussfolgerungen

Manch konservativer Pyramidenhierarchien Anbetende wie der Unionsabgeordnete Uhl wird da sicher ausrufen wollen: „Was für Chaoten! Die wollen verantwortliche Politik machen? Die sind doch bloß eine Peergroup von vernetzten Nerds!“ Stimmt. Echt jetzt.

Allerdings wurde Politik seit den sumerischen Keilschrift-Tagen und ausnahmslos immer von Peergroups gemacht – und zwar in Hinterzimmern. Nicht offen im Netz.

Die angestrebte Transparenz politischer Entscheidungen, gepaart mit Bürgerbeteiligung, mit Partizipation bildet den Markenkern der Partei.

Daraus folgt aber auch, dieses Demokratieverständnis wird – fern jedem Ideal des alten summum bonum, des all-einen Guten – Differenzen aushalten müssen. Und das muss ausprobiert werden.

Die bereits im radikalen Konstruktivismus getroffene Erkenntnis, dass Individuum A einsehen kann, dass es ihm besser geht, wenn es auch B besser geht, kann nunmehr konkret durch Bindungen im Netz erfahren werden. Diese Erfahrung transzendiert den klassischen Interessenkonflikt zu etwas neuem.

Ein konstruktiver Dissens ist besser als ein destruktiver Konsens. Letzterer muss immer den Status einer Scheinlösung behalten, ersterer anerkennt Differenz und Verschiedenheit, also Vielfalt. Und in dieser Anerkenntnis liegt – anstatt das Problem zu einzubetonieren – die Option für eine Transformation des Problems mit weiteren Möglichkeitsräumen zu seiner Lösung oder gar Auf-Lösung.

Desweiteren wird diese Demokratie Leute notwendig haben, die in Prozessen denken und nicht in Zuständen.

Da veranstalten die Piraten bereits zum zweiten Mal eine Art auch für Nichtpiraten offenen Denktank, die Open Mind Konferenz 2011, bei dem man sich neue Ideen und Konzepte gegenseitig vorstellt. Referenten und Teilnehmer gehen gemeinsam und vor der Öffentlichkeit von Internet-Livestreams an ihre intellektuellen Grenzen (wovon der Verfasser ein Lied singen kann …).

Welche old party macht sowas? Too risky? Grenzen können nur dann verschoben werden, wenn man sie berührt, sie spürt.

Daher sind die Piraten Freunde von ergebnisoffenen runden Tischen. Wahre Führungskompetenz besteht in dem Versammeln a) der Betroffenen und b) kompetenter Leute zur Inangriffnahme eines Problems.

Die Zukunftsfähigkeit der Piraten entspringt aus dem Umstand, dass sie die richtige Fragen stellen wollen, Leitfragen anstatt die volksverdummende Vorgabe der Billigvorstellung einer Leitkultur.

Eine nicht nur mögliche sondern sogar unbedingt notwendige Frage ist folgende: Wie kann eine Demokratie der Vielen realisiert werden, jenseits des Gegensatzes von Partizipation und Expertokratie?

Die alte Expertokratie ist im Grunde tot, sie wird allerdings tagtäglich für die daily soap namens „Politik“ wiederbelebt, um erneut Partikularinteressen und Lobbyismus geopfert zu werden.

Für alles weitere lohnt ein Blick ins Programm und in die zugehörigen Erläuterungen.

Wer jetzt noch ein Wort zu Frauen in der Piratenpartei erwartet hat, wird enttäuscht sein. Außerdem ist der Verfasser ein Mann. Die Frauen in der Piratenpartei können das selber – und besser.

Print the Pirates: Durchgeknallt im Blätterwald – das Auf und Ab des Schreibenmüssens

Menschen sind hochkomplexe, heterarchisch organisierte und irreduzibel-hochparallel analog arbeitende biologische Multiprozessornetzwerke, die Fehler machen. Und keine Turing-Maschinen.

Die Piraten werden Fehler machen, in Berlin und auch anderswo.

Jetzt werden sie hochgeschrieben. Pünktlich zu den nächsten Wahlen werden sie wieder runtergeschrieben. Zu dieser Erkenntnis braucht’s keine Verschwörungstheorie.

Aber sie sind im Netz. International. http://falkvinge.net/2011/10/19/as-german-pirate-party-hits-10-some-thoughts-on-the-next-five-years/

Die Zukunft ist unsicher. Das ist ihre Natur. Die Piraten eröffnen Möglichkeitsräume.

Schlussbemerkung:

Dieser Beitrag ist die Sichtweise eines einzelnen Piraten und nicht notwendigerweise Parteimeinung. Er wurde verfasst im Geist dessen, was auf der Rückseite eines jeden Mitgliedsausweises der Piratenpartei Deutschland steht: Der Besitzer dieses Dokumentes ist berechtigt, sich seines Verstandes zu bedienen, Informationen zu produzieren, replizieren und konsumieren, sich frei und ohne Kontrolle zu entfalten – in Privatsphäre und Öffentlichkeit.

Punkt.

Bis dann, Pirat Nick H.

Fussnoten:

[1] Flusser, Vilém; Die Informationsgesellschaft, Phantom oder Realität?, Vortrag auf der CulTec in Essen 1991, Audio-CD, Suppose Verlag, Köln 1999

[2] Morningstar, Chip; Electric Communications, Interview im Arte-Themenabend Internet, Straßburg 1996

6 Gedanken zu „Piraten ante portas!

  • 3. Mai 2012 um 01:12 Uhr
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    Mein lieber Mann,
    eigendlich wollte ich mich mal über den Landesverband, dessen Vordenker und Postenträger informieren. Aber hier bin ich ja auf “ starken Toback“ gestoßen. Durch Zufall wohlgemerkt, denn auch mich hat hier in meiner Stadt Gelsenkirchen der Piratische Wahnsinn gepackt und aus einem ich mache nie mehr Politik – Menschen einen Mitmachbürger gemacht, wohl gemerkt kein Parteimitglied ( noch nicht ) Als erstes stelle ich diesen nun folgenden Gedanken voraus, das mein Intellekt bei weitem unter dem Niveau des Verfassers und des Kommentators dieses o.g. Artikels steht.
    Nun denke ich aber wenn das jemand liest, sowohl die Einschätzung der momentanen deutschen Parteienlandschaft ( die übrigens auch meine Sichtweise trifft ) als auch der provokannte Kommentar von dir Joko, befällt Ihn die schiere Angst. Angst vor der Piratenbewegung deren Köpfe solch hochgeistige Aussagen treffen, die Otto Normalverbraucher ( und der ist die breite Masse der Wähler ) nicht ansatzweise verstehen kann. Und Angst vor solchen Leuten wie Joko die wohl einen adequaten Wissensstand wie der Verfasser haben aber nichtmal dem Grunde nach das Anliegen der Piraten verstanden haben aber drauf einhauen. Dir lieber Nik empfehle ich schreibe von Piraten für Piraten so das alle etwas daraus lesen können oder kennzeichne deine Schriften mit einer Klassivizierung “ nur für Leute mit IQ >125 “ Und dir lieber Joko empfehle ich beschäftige dich mal mit den Piraten vor allen mit den Meschen die dahinter stehen nicht mit Aufsätzen , Programmen und Reden und ich verspreche dir, dir werden wahre Erkenntnisschübe wiederfahren was du alles dort entdecken wirst.
    So das lag mir auf der Seele, das mußte ich loswerden.
    Gute Nacht sagt euch Jürgen
    ein Otto-Normalverbraucher aus Gelsenkirchen

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  • 3. Februar 2012 um 00:07 Uhr
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    Lieber Nick,

    danke für die offenen Worte. Wobei ich mal davon ausgehe, dass der erste Absatz ein Scherz ist. Oder möchtest du ernsthaft die Absenz von Arroganz dadurch dokumentieren, dass du anderen fehlendes Niveau unterstellst und ihnen drohst sie als blöd zu bezeichnen? Entweder das ist ein funny gemeint und wenig gelungen, oder aber ein performativer Widerspruch und Denkfehler. Ich hoffe also du hättest hierzu noch ein anderes Argument bei der Hand…

    Zu den Grünen: Die Technophobie war vllt. ein Thema in den siebzigern, das mag schon sein. Sehr aktuelle Analyse. Oder beziehst du dich vllt. auf Atomkraft? Dass die deutschen Grünen oftmals wertkonservativ sind geht bei mir ja durch wie Butter, aber selbst das steht rein als Behauptung da und wird nicht mal argumentiert.

    Was die Scheuklappen betrifft: Die sind nicht bloß in eurem Programm extrem deutlich dokumentiert, sondern auch in euren entsprechenden Foren, in denen ich immer wieder mal gerne nachlese, ob sich eine positive Abwicklung einstellt. Leider ist bis dato großteils eine Enttäuschung.

    Dein letzter Satz bringt mich zum Lachen. Nein, natürlich nicht (wobei dieser „was uns wir durch das netz rausnehmen können“-habitus ja für mich relativ absurd klingt – ihr seit ja so wild&stark, was ihr euch alles traut;-). Daher das mit der Angst nochmal ganz langsam, damit nichts verschwiegen bleibt. (eigentlich wollte ich dazu nix sagen, weil ich dachte, das wird sicher als schwere Beleidigung wahrgenommen, aber gut…)

    Was mich gruselt ist, dass ich mit eurem Programm in seiner Dünnheit zwar extrem hohe Schnittmengen habe, aber mich eure Einstellung zum politischen System und eure Beschreibung des politischen Status Quo einfach extrem stark an die No-Go-Kritiken rechtspopulistischer Parteien erinnert und diese auch strukturell reproduziert (ein Kultbuch Jörg Haiders hieß zB „Jenseits von Links und Rechts“ ganz so oben wie in deinem textchen) Unabhängig davon, dass ihr natürlich nur dort jenseits von rechts und links seit wo ihre keine Positionen habt (also fast überall) oder im Grunde eine klassische sozialdemokratische Position einnehmt (fast alles was Netzpolitik anlangt; man bemerke, dass sozialdemokratische Position ungleich der SPD-Position ist, aber dass ist eine ganz, ganz andere Geschichte).

    Gib mir doch ein einziges Beispiel für eine eurer Positionen, die nicht links oder rechts verortbar wäre (durch jemanden, die/der in der politischen Ideengeschichte einigermaßen versiert ist).

    Nun weiter mit meiner Analogie der demokratieschädlichen, populistischen Rhetorik: Der gute Jörg H. wollte sich auch von niemanden „schulmeistern“ lassen (schon gar nicht von Leuten mit „Verstaatlichungswahn“), kam auch aus der „Mitte der Gesellschaft“, er war aus keiner Gruppe, sondern einfach einer von „uns“ (vllt. wollt ihr ja auch mal seinen slogan: „sie sind gegen ihn, weil er für euch ist“ adaptieren;-) und die FPÖ war natürlich auch keine „traditionelle Partei“ (darum hieß sie eine gute Zeit lang einfach „F“). Und sie war selbstverständlich nie AnhängerIn einer Ideologie (den Begriff Heilslehre/Eschatologie sollte man eigentlich der Klarheit halber nur bei religiösem Bezug verwenden), sondern wollte ganz pragmatisch immer nur Sachfragen klären. Letztlich ist das natürlich alles demagogisches Gewäsch. Ich weiß nicht warum ihr das reproduziert, ich glaube euch ist das noch nicht so bewusst (vllt. hilft das: http://www.amazon.de/Haider-light-Handbuch-für-Demagogie/dp/3707600475). Daher wollte ich auch in meinem „Ergo“ andeuten, dass sich ja vllt. ein Reifungsprozess einstellt, der solche Absurdidäten beseitigt.

    Ich gehe dabei nur deshalb so ausführlich darauf ein (meine vorangegangene Kritik erscheint mir sachlicher), weil du nach der Angst fragst: Was mir nun wirklich Angst macht ist, dass ihr großteils (unterstelle ich mal) schlaue und an Demokratie interessierende BürgerInnen seid, die nicht mal bemerken wie sie durch völlig undurchdachte Behauptungen das eigene normative Fundament – Demokratie – untergraben. Das macht echt traurig (kurz halt zumindest).

    Und zuletzt: Keine Sorge, die Kinder dürfen natürlich ins Netz (wenn sie dann mal schreiben können und so;-).

    Alles Liebe,
    Joko

  • 2. Februar 2012 um 22:03 Uhr
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    Hallo Joko,

    ich könnte das einfach mal so stehen lassen. Will ich aber nicht.
    Danke erstmal für den „insgesamt nicht ganz so unklugen Text“.

    Wir haben sicher keinen Grund, arrogant zu sein. Um als arrogant bezeichnet zu werden, braucht es Leute – wie Dich – die das so sehen. Arroganz ist also Ausdruck einer Relation. Ich könnte das auch rhetorisch einfach abwehren, indem ich sage, Niveau sieht von unten immer wie Arroganz aus. Soll ich?
    Wir üben übrigens auch viel Selbstkritik, allerdings nicht so häufig öffentlich.
    Dass Du meine Argmente, bzw. Kritik an den Grünen für absurd hältst, gibt mir wirklich zu denken. Meine Einschätzung der latenten grünen Technophobie ist über die Jahre aus meiner Beobachtung dieser Partei gewachsen, schließlich bin ich 54 und habe Ende der 70er mit dem Gedanken gespielt, beizutreten, aber nur kurz. Ich war relativ schnell kuriert. Dort gibts einfach zuviel Schulmeisterei.

    Deine Sichtweise der Piraten, dass wir mit Scheuklappen rumrennen und alle nicht im Netz Sozialisierten nicht anerkennen, greift völlig daneben.
    Wir haben übrigens überproportional viel politisch engagierte Krankenpfleger in der Partei. Warum wohl?
    Die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Umstände sind auch Resultate von Strukturen, die eben NICHT im Netz eingeübt wurden.
    Kann es sein, dass Dir das Netz und das, was wir uns aufgrund des Netzes herausnehmen, Angst macht?

    Reglementiere Deine Kinder nicht, lass Ihnen eine Chance – auch im Netz.

    MfG, Nick H.

  • 2. Februar 2012 um 20:32 Uhr
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    insgesamt kein unkluger text.

    aber ganz ehrlich: eure fundamentale politische ahnungslosigkeit in fast allen relevanten themenbereichen ist nicht lachhaft – sie ist beängstigend. Paart man das noch mit eurer Arroganz, die sich vor allem in dem Glauben manifestiert die geilsten, fortschrittlichsten und aufgeklärtesten von allen zu sein, dann mutiert euer einziger Asset – eine ziemlich starke inhaltliche Kernkompetenz mit sehr durchdachten Forderungen – zu einer Karikatur.

    Ich denke Leute wie die Piraten sollten sich zu weiten Teilen in etablierten Parteien engagieren und diese mit ihrer inhaltlichen Kompetenz, Offenheit und Aufmüpfigkeit aufrütteln. Ich bin dabei absolut kein Fan der etablierten Parteien, aber in der derzeitigen Form werden die Piraten anstelle einer gesellschaftlichen Macht eine Clowntruppe bleiben. Sie tragen so auch keinesfalls zu einer Stärkung der Demokratie bei, sondern beteiligen sich an ihrer Versandung – sie übernehmen ja auch die Rolle einer Protestpartei.

    Piratentexte lesen sich in dieser Hinsicht nämlich immer gleich: Auf alle anderen Parteien wird (teils natürlich zu Recht, nichts ist einfacher) völlig undifferenziert eingedroschen (ich bin wahrlich kein Grüner, aber deine Argumente hier sind zB völlig absurd) und der eigene Weitblick hochgejubelt. Dass euer sicherlich vorhandener Weitblick leider nur nach vorne schielt und ihr die riesigen Scheuklappen die euer politisch-thematisches Blickfeld eingrenzen auch noch als Stärke empfindet (im Grunde ist das eine geradezu frivole Arroganz gegenüber allen Menschen, die sich in anderen Lebenslagen befinden bzw. nicht „im Netz sozialisiert wurden“), ist ebenso völlig unverständlich.

    Wenn die Piraten tatsächlich jene Menschen sind, die im Netz sozialisiert wurden, dann werde ich tunlichst darauf achten, dass meine Kinder nicht allzu auf diese Art sozialisiert werden. Denn die Piraten vermitteln den Eindruck allesamt Menschen zu sein, die es sich gerne leicht machen und denen andere herzlich egal sind. Du gibst selbst ein herrliches Beispiel, in dem du sagst: „Frauen?-nicht mein Problem, können ja die Frauen machen“. Und genauso sagt man das für Alte, Kranke, Verunfallte, von Armut und Arbeitslosigkeit gezeichnete Menschen. Wenn man dann übrigens mal Beiträge von Piratinnen zu dem Thema findet heißt es meist: „Die Suppe ist nicht so heißt, ich habs ja auch geschafft mich (in einem männerdominierten Bereich) durchzusetzen“. Was soll diese Aussage eigentlich sein (die findet man nicht allzu selten), außer ein Diss gegenüber jenen Frauen, die es nicht geschafft haben.

    Ergo: Erst wenn es gelingt Arroganz durch Selbstkritik zu ersetzen und das Pochen auf die Rechte des Individuums um eine adäquate Menge an Empathie zu ergänzen, werden die Piraten jemals politisch ernst zu nehmen sein. Zur Zeit seit ihr nicht als eine hippe Protestpartei, die vornehmlich deshalb gewählt wird, weil die Leute eure Programme und Konzepte nicht lesen.

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