Das Feuilleton der aktuellen Print-Ausgabe Nr. 39 von „DIE ZEIT“ eröffnet mit einem lesenswerten Beitrag von Marie Schmidt mit dem Titel „Die fleißigen Königinnen“.
Darin wird die Frage gestellt, welches Bild von Weiblichkeit durch die audiovisuellen Inszenierungen von Beyoncé, Lana Del Rey oder Taylor Swift entworfen wird.
Passend dazu liefert das Wochenmagazin ein Foto, das vorwiegend Ärsche zeigt, be-stringtanga-te Frauenärsche in Unterwerfungsgeste, und darüber in Dominanzpose der Netzstrumpf-Arsch von Beyoncé Knowles.
Schon dieses Bild zeichnet sich – verglichen etwa mit den Inszenierungen einer Lady Gaga – durch komplette Ironiefreiheit aus. Ironiefreiheit in letzter Konsequenz bedeutet aber Humorfreiheit.
Die Autorin geht dann – wie ich finde sehr schlüssig – weiter auf die Botschaft der Videos zu den Songs ein, die den physischen Körper des jeweiligen Stars in einer pathetischen „Geste der Selbstermächtigung“ zeigen, „des Genusses der eigenen sexuellen Funktion“. Dieser Genuss ist ohne Zweifel echt.
Stellt man aber die Frage nach der künstlerischen Präsentation einer autonomen weiblichen Persönlichkeit, so kann die Antwort nur lauten: „mutwillige freie Identifikation mit den Phantasmen der Männer“. Das wird zusätzlich durch die Texte unterstrichen, in denen oft von Frust und physischer Gewalt, ausgeübt durch den männlichen Partner, die Rede ist.
Beyoncé, so die Autorin Marie Schmidt, verkörpere damit nicht nur die sexuellen Träume ihres Mannes, sondern sende gleichzeitig die Botschaft an alle jungen weiblichen Fans, seht her, ich bin die, die alles hat, ihr könnt auch alles haben, „das Glück der Mutterschaft, eine wahnwitzige Sexualität, einen trainierten Körper, sehr viel Geld“. Ich bin der Chef des Schwarms, ich bin eure Bienenkönigin.
Damit wird Knowles, ebenso wie ihre Kolleginnen im Business und auch ihre junge Konkurrentin Miley Cyrus zum Transporter eines neoliberalen Heilsversprechens, das vorwiegend auf Fleiß und Disziplin setzt und auf die doppelte Erfüllung von Machophantasien einerseits sowie Image-Leadership bei den Geschlechtsgenossinnen andererseits.
Allein Kreativität und Humor in der Musik bleiben dabei auf der Strecke. Und zwar völlig.
Als älteres Semester – oder unverblümter – als alter Sack, geht mir solcher Drang, andere zu unterwerfen, solches reaktionäre Getue am Arsch rechts außen vorbei.
Ich möchte vielmehr mit Frank Zappa – ok, zugegeben, eins meiner Idole – die Frage aufwerfen: „Does humor belong in music?“
Zumindest Lady Gaga oder Cyndi Lauper würden diese Frage mit einem klaren YES! beantworten.
Nun gilt Zappa ja selbst gelegentlich als frauenfeindlich. Lassen wir ihn doch selbst antworten:
“A young lady has felt that my treatment of women in my lyrics and social comments has not been particularly positive. And there’s no reason why it should be. You should take your lumps along with everybody else because women do stupid fucking things, just like the guys do. And if I say guys are stupid and a woman does something stupid, don’t be a wimp about it, just because you got that thing between your legs is no problem.” (Zappa, aus einem Interview, veröffentlicht auf der DVD „Does Humor Belong in Music?“)
Was tun? Mein musikalischer Theapievorschlag: mal wieder bei Zappa reinhören.
Anspieltipps, Alben:
- We’re Only in it for the Money
- Overnite Sensation
- Bongo Fury
- Tinsel Town Rebellion
- Sheik Yerbouti (Shake your booties …)
und hier der Song „Flakes“: „all that we’ve got here is American made, it’s a little bit cheesy, but it’s nicely displayed ….“
Lasst Euch die Muik nicht verderben und hört mal wieder in Sachen fernab vom mainstream rein ….
Have fun,
Nick Haflinger aka Joachim Paul
Habe ich immer noch nicht „verstanden“, ganz egal, wie sehr ich es auch versuche:
Was ist schlecht an Männerfantasien? Haben wir Männer kein Anrecht auf unsere Phantasien? Woher diese Selbstverleugnung?
Frau Schmidt’s Argumentation halte ich zum großen Teil für weit hergeholt. Der akademische Oberton macht es nicht schlüssiger. Das netzbestrumpfte fettschenklige Popdiven uns tatsächlich zeigen, was es bedeutet, heute eine Frau zu sein, ist ja nun wirklich ein merkwürdiger Ansatz. Es scheint mir doch eher so zu sein, dass sich jede Popkultur in einem Paralleluniversum abspielt und zunächst einmal überhaupt nichts mit der Lebenswelt des (abhängig arbeitenden) Durchschnittsbürgers zu tun hat. „Was es bedeutet, heute eine Frau zu sein“, beantworten nicht Kunstgeschöpfe wie Beyonce, Del Ray, Swift und Co., sondern die Frauen/ Männer, die dem täglichen Einerlei von Familie, und Beruf unterworfen sind. Wie sie das in ihrer jeweiligen sozialen Schicht und den jeweiligen sozialen Gegebenheiten hinkriegen, definiert das Frau/ Mann-Sein und nicht „eine fleißige Königin“ der Popindustrie, da kann sie sich noch so schweißtreibend in Videoclips abmühen. Die mediale Ablenkungsindustrie schafft (Gott sei Dank) noch keine neuen Realitäten. Sie ist das was sie ist – in diesem Falle Popkultur im eigenen Universum…
Don’t mind your make-up, you’d better make your mind up.
(Frank Zappa)
🙂