Meine Rede zu TOP 10 am 12. Mai 2016, Die Chancen der Digitalisierung im Wissenschaftsbereich nutzen – landesweit koordinierte Lizensierung von digitalen Bibliotheksbeständen eröffnet neue Spielräume
Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/8454
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Innovation,
Wissenschaft und Forschung – Drucksache 16/11816
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Freimuth. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Dr. Paul.
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank. – Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Wir sprechen hier im Rahmen dieses Antrags über Nationallizenzen. Ich möchte allerdings auch einmal auf die Gelbdrucklizenz für Großverlage eingehen.
Wir Piraten sind der Meinung, dass einige wenige Verlage unsere Hochschulen und Bibliotheken regelrecht ausnehmen und dass es nur einen Weg gibt, diesen Missbrauch zu beenden. Insofern sehen wir Ihre Kritik, liebe regierungstragende Fraktionen, der CDU-Antrag würde viel zu wenig auf Open Access eingehen, als nachträgliches Kompliment für unsere Piratenarbeit an.
Schließlich haben wir das Thema „Open Access“ in den Landtag gebracht.
(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)
Das war auch der Grund, dass wir dem CDU-Antrag zunächst eine Chance geben wollten. Wir werden uns allerdings heute wohlwollend enthalten.
Das Thema „Lizenzierung“ flankiert zwar auch die Open-Access-Bewegung, insbesondere, wenn es sich um Allianzlizenzen handelt, aber wir sehen Kostensenkungen – im Gegensatz zu Herrn Dr. Berger – nicht als das wichtigste Ziel an. Wir wollen stattdessen endlich den Teufelskreis immer teurer werdender Abos und Lizenzen bei einer gleichzeitig weiter sinken-den Literatur- und Zeitschriftenauswahl durchbrechen.
In der Anhörung haben wir erfahren, dass Lizenzverhandlungen durch eine Konsortialstelle bereits halbwegs erfolgreich verlaufen. Dennoch steigen die Preise immer weiter an. Daher müssen wir grundsätzlich über eine Umstrukturierung in der Literaturversorgung sprechen.
Dabei, liebe CDU, geht es nicht in erster Linie um Einsparpotentiale in den Bibliotheksetats, sondern vor allem um die Nutzer und Nutzerinnen. Wartezeiten und Staus am Ausgabeschalter in der Bib und die Meldung „Dieses Buch ist vergriffen“ müssen endlich der Vergangenheit angehören.
(Beifall von den PIRATEN)
Noch immer senden wir Aufsätze und Kopien per Post durch dieses Land.
Großverlage sollen weiterhin eine wichtige Rolle spielen dürfen. Aber ihre bisherige Gelddrucklizenz müssen sie definitiv verlieren.
Insofern führt jeder Euro, der in NRW in Open-Access-Publikationen fließt, mittel- und langfristig zu fairen Einkaufsbedingungen für die Hochschulbibliotheken. Es geht also nicht vordergründig um Einsparungen, sondern es geht zunächst auch um Investitionen in die Open-Access-Beratung und in die Infrastruktur in den Hochschulen.
Mit dem Thema „Nationallizenzen“ allein kommen wir auch nicht weiter. Wenn der Verlag Elsevier für ein Jahresabo eines Journals 23.700 € berechnet, droht nicht länger bestimmten Nutzergruppen der Nutzungsausschluss, sondern der Preis ist der Nutzungsausschluss. Das sollte auch im CDU-Antrag stehen.
Allerdings liegt das Problem, Frau Ministerin Schulze, auch auf der Regierungsseite. Sie gestehen den Verlagen weiterhin die Lizenz zum Gelddrucken zu. Sie sagten im Ausschuss bereits zweimal, dass in den vergangenen zehn Jahren 150 Millionen € für Lizenzen bereitgestellt worden sind. Sie führen die Kostensteigerungen als Ausdruck der Qualität der Arbeit an. Dabei fließt kein einziger Euro davon in die Lehre oder in die Forschung. Der Verlag Elsevier hat zu dem Zeitpunkt, als dieser Antrag noch aktuell war, für Lizenzen über 700 Millionen € Gewinn eingestrichen.
Diesen Zusammenhang muss man einfach sehen. Das Geld fließt nicht in eine bessere Literaturversorgung für Forscherinnen und Forscher, sondern in die Taschen der Großverlage, die abzocken. Das heißt, wir pumpen immer mehr Geld quasi direkt in die Verlage, und darauf darf man nicht stolz sein. Denn so wird es immer teurer. Ich glaube, durch das bisherige Verfahren wird die Marktmacht der Falschen gestärkt. Das Geld müsste anders eingesetzt werden.
Wir müssen Open Access fördern, um aus diesem Teufelskreis herauszukommen. Während unsere Bibliotheken eine Zeitschriftenkrise erleben, fahren einige Verlage so enorme Renditen ein, dass einige schon von Gewinnraten, die man sonst nur im Waffen- und Drogenhandel erzielt, sprechen. Das ist nicht mein Alarmismus, sondern das stand in der „Süddeutschen“ vom 19. Februar 2016. – Wir finden, es muss wieder um den Lesestoff für die Forscherinnen und Forscher gehen und nicht um Finanzspritzen für die Großverlage.
Ich weiß nicht, ob Sie die Meldung schon erreicht hat. Am 6. Mai dieses Jahres hat die Université de Montréal 2.116 Springer Journals gekündigt.
Während Frau Seidl und Herr Bell aufgrund einer zutreffenden Analyse zu Open Access einen Spielraum für Verbesserungen eröffnet haben, haben Sie, Frau Ministerin Schulze, zumindest im Ausschuss behauptet, wir hätten in NRW kaum Verbesserungspotenzial.
Ich glaube, mit dieser Analyse kommen wir nicht weiter. Wir müssen neue Wege gehen. Wir Piraten denken, Open Access ist der richtige Schlüssel dafür. Hoffentlich werden in der Zwischenzeit Überlegungen angestellt, genau das zu verbessern. Wir würden sehr gerne daran mitarbeiten. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Noch mal in Richtung der Unionsfraktion: wohlwollende Enthaltung. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Schulze.