TOP 4, 07.07.2016 – LT NRW, Realität des Breitbandausbaus in NRW

Meine Rede zu TOP 4 am 07. Juli 2016 „Realitätsschock Breitbandausbau. Digitale Spaltung verhindern – an Breitband-Ausbauzielen mindestens festhalten!“ – Antrag des Abg. Schwerd (fraktionslos) – Drucksache 16/12336 – in Verbindung damit –
„Nordrhein-Westfalen muss Impulsgeber und Avantgarde für die Gigabit-Gesellschaft werden – Mit Glasfaser-Offensive digitale Netze der Zukunft schaffen“ – Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 16/12354

Plenarprotokoll:
Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Dr. Paul.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! In der Breitbanddebatte haben wir heute viele verschiedene Argumente gehört. Da ging auch, ehrlich gesagt, ziemlich viel durcheinander. Lassen Sie mich daher versuchen, das Wichtigste auf den Punkt zu bringen.

Erstens. Da unser Bundesland aufgrund seiner Siedlungsstruktur viele Ballungsräume hat, ist die alte Infrastruktur auf Kupferbasis noch ein Stück besser ausgebaut als in anderen Bundesländern. Das ist aber keine Eigenleistung weder von der Landesregierung noch von den Kollegen Vogt oder Bolte, die sich hier gern dafür feiern lassen möchten.

Ganz im Gegenteil. Mit der von Ihnen verantworteten Politik werden wir bei dem wohl wichtigsten Infrastrukturthema zu Beginn des 21. Jahrhunderts sowohl national als auch international abgehängt werden.

Das bringt mich zu einem zweiten Punkt. Der ländliche Raum in Nordrhein-Westfalen ist weit-gehend abgeschnitten vom schnellen Internet trotz aller Sonntagsreden der zuständigen Minister hier im Parlament. Mit dem Ausbautempo der letzten Jahre 2012 bis 2015 werden wir erst 2024 alle Haushalte auf dem Land erschlossen haben und das nur mit 50 MBit/s. Da muss man schon – im Wirtschaftsausschuss war das schon Thema – eine Exponentialfunktion darunter legen, auch mit der Förderung, damit das noch klappt.

Das wiederum heißt: Das politische Versprechen von Frau Kraft, alle Haushalte bis 2018 an ein 50 MBit-Netz anzuschließen, werden Sie nach dem derzeitigen Stand mit Pauken und Trompeten reißen. Man kann vielleicht auch die These aufstellen: Die Landesregierung hofft insgeheim, dass 2018 das Verfehlen jemand anders verkünden muss.

Was gilt es zu tun? Die Frage bringt mich zur dritten These. Wer Nordrhein-Westfalen zur Avantgarde für die Gigabit-Gesellschaft machen will, wie es im Antrag der FDP-Fraktion heißt, kommt auch 2016 nicht um die Vorschläge der Piraten herum. Das beweist explizit der hier vorliegende Antrag, dessen Kernpunkte aus Forderungen bestehen, die wir Piraten in den letzten Monaten erarbeitet und hier in den Landtag eingebracht haben und die nun via Copy-Remix-Share recycelt werden.

Das macht die inhaltlichen Punkte im FDP-Antrag nicht weniger richtig. Im Gegenteil, ich wünschte mir allerdings, die Landesregierung würde genauso schnell lernen wie die FDP.

Meine Damen und Herren, die Lobby der alten Kupfernetzbetreiber ist stark in Deutschland. Das zeigt nicht zuletzt der verwegene Versuch der Telekom, die Genehmigung zur Errichtung von Vectoring-Monopolen zu erhalten. Es ist nur wenige Wochen her, da haben wir den Stopp der Vectoring-Pläne der Bundesnetzagentur im Wirtschaftsausschuss gefordert. Mit Vectoring wird untergraben, was eigentlich dringend notwendig ist, nämlich der Aufbau einer nachhaltigen Glasfaserinfrastruktur.

Wir Piraten setzten uns dafür seit Langem ein und sind der Ansicht, dass die Förderprogramme dafür neu gestaltet und konsequent auf den Glasfaserausbau ausgerichtet werden müssen, statt noch mehr öffentliche Gelder im veralteten Kupfernetz zu versenken, wie es der CSU-Digitalverkehrsminister Dobrindt letzte Woche angekündigt hat.

An dieser Stelle möchte ich explizit die Kollegen von der Union ansprechen, die bei dieser Debatte oft so tun, als ob die verfehlte Netzpolitik auf Bundesebene nicht von ihren Partei-freunden mit zu verantworten gewesen wäre.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich sage es noch einmal: Es grenzt an Steuermittelverschwendung, wenn öffentliche Mittel für veraltete Kupferkabel rausgeworfen werden, deren Leistung schon nach kurzer Zeit nicht mehr ausreichen wird.

(Beifall von den PIRATEN)

Als letzter Punkt sei mir noch ein Hinweis gestattet, um das hier möglicherweise entstehende Missverständnis auszuräumen, die Piraten und die FDP betrieben die gleiche Netzpolitik: Wir Piraten befürworten große öffentliche Investitionen in Glasfasernetze, solange die Netze und die damit verbundenen Infrastrukturwerte danach in kommunale Hand kommen. Ich befürchte aber, Sie, liebe Kollegen von der FDP – Herr Bombis –, wollen stattdessen milliardenschwere Beihilfen an ausbaufaule privatwirtschaftliche Netzbetreiber ausschütten und denen auch noch die Infrastruktur überlassen. Das unterscheidet uns.

Noch ein Wort zum Abgeordneten Schwerd: Vielen lieben Dank, lieber Daniel, dass du mir die Gelegenheit gibst, das hier einmal zu sagen: Die Linke springt zu kurz. – Wir werden uns bei der Abstimmung über diesen Antrag wohlwollend enthalten.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Remmel.

2. Wortmeldung:
Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schick. – Für die Piraten spricht jetzt noch einmal Herr Dr. Paul.

Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich muss mit Freuden feststellen, dass wir in Nordrhein-Westfalen offensichtlich zwei Internetminister haben. Das kann man sich einmal rot im Kalender anstreichen. Wir hatten ja nur ein Ministerium gefordert, das dies machen soll. Aber immerhin!

Zurück zur Ernsthaftigkeit: Ich möchte noch einen Hinweis geben, um einmal klar zu machen, was das gesellschaftlich für die Zukunft bedeutet. Denn nach den jetzigen Vorgaben des Bundesförderprogramms – also tun wir einmal so, als hätten wir schon Glasfaser – müssen sich die Kommunen nach Ablauf der Pachtfrist von den Netzen trennen. Dann hätten wir es mit genau solch einem Problem wie bei der anstehenden Privatisierung von Verkehrswegen zu tun. Ich weiß nicht, ob wir noch weiter so mit unserer allgemeinen Infrastruktur umgehen sollten. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Weitere Wünsche nach Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich an dieser Stelle die Debatte zum Tagesordnungspunkt 4.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.