Um es gleich vorweg zu sagen, das TVgG ist schlecht gemacht und sollte verbessert werden. Eine völlige Abschaffung allerdings, wie die CDU es will, bringt auch nichts. Das TVgG NRW ist nicht #smartgerecht .
Meine Rede zu TOP 2 am 26. Januar 2017, Gesetz über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen – TVgG – NRW)
Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 16/12265
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk – Drucksache 16/14037 – 2. Lesung
in Verbindung damit
Gesetz zur Aufhebung des Tariftreue- und Vergabegesetzes Nordrhein-Westfalen – Gesetzentwurf der Fraktion der CDU
Drucksache 16/13531 (Neudruck)
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk – Drucksache 16/14038 – 2. Lesung
Aus dem Plenarprotokoll:
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Bombis. – Nun spricht für die Piratenfraktion Herr Dr. Paul.
Dr. Joachim Paul (PIRATEN): Vielen Dank. – Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Man sieht am Auftreten der Kollegen von CDU und FDP hier ganz deutlich, dass Wahlkampfzeit ist. Mein Gott; warum auch nicht?
(Zuruf von Ralph Bombis [FDP])
– Nein, das ist völlig in Ordnung, Herr Kollege. Es wird versucht, den Eindruck zu erzeugen, ein Tariftreue- und Vergabegesetz sei gar nicht notwendig und aus der Zeit gefallen, Herr Bombis. Aber das sehen offensichtlich nur Sie so. Denn Fakt ist: Alle Bundesländer mit Ausnahme eines Freistaats im tiefsten Süden der Republik haben inzwischen ein Tariftreue- und Vergabegesetz eingeführt. So falsch kann das also gar nicht sein.
Die Frage ist deshalb nicht, ob wir ein solches Gesetz brauchen, sondern wie ein gutes Gesetz gestaltet sein muss. Das wäre die relevante Debatte. Aber davon lenken die heutigen Nebelkerzen leider ab. Dabei ist die Debatte um die Qualität des Gesetzes sehr dringend notwendig. Denn es ist ebenso klar erkennbar, wie schwer sich die Landesregierung mit diesem Thema tut.
Bereits als die erste Version des Gesetzes in den Landtag eingebracht wurde, war es nicht gut gemacht. Das kann auch gar nicht bestritten werden, denn kurz darauf wurde eine Evaluierung notwendig. Und jetzt reden wir über die Novellierung des Gesetzes – und das alles in der gleichen Legislaturperiode. Aber selbst diese Novellierung wird durch einen weiteren Änderungsantrag der rot-grünen Fraktion geändert. Sie sehen, die Landesregierung und die Kollegen von Rot-Grün eiern bei diesem wichtigen Thema der fairen und nachhaltigen Beschaffung herum.
Auf das wirkliche Wichtige wurde noch von keinem der Redner eingegangen. So sieht das hier vorgesehene Gesetz Maßnahmen gegen Verstöße gegen die sogenannten ILO–Kernarbeitsnormen, also zum Beispiel gegen Kinderarbeit, vor, aber nur in einer festen Liste von Ländern.
Experten haben aber in der Anhörung ganz klar gesagt: Es gibt dokumentierte Fälle von Verstößen gegen Mindeststandards der fairen Arbeit in Osteuropa, in Ländern, die nicht auf dieser Liste auftauchen. Und dagegen ist dieses Gesetz wirkungslos. Deswegen sagen wir Piraten: Soziale Ausbeutung muss bekämpft werden, egal wo sie auftritt. Die besagte Liste von Ländern muss erweiterbar sein und muss geändert werden.
Zweiter Punkt: Herr Hübner, Sie loben das TVgG über den Klee. Aber was sagen eigentlich Ihre Gewerkschaften dazu? Was sagen beispielsweise die Gewerkschaften dazu, dass Ihr novellierter Gesetzentwurf still und leise die freigestellten Verkehre von der Tariftreue ausnehmen will? Das betrifft insbesondere den Transport von Schülerinnen und Schülern und behinderten Personen, für den nach Expertenaussagen die Busfahrer zum Teil unter 5 € die Stunde bekommen. Faire Arbeit sieht anders aus. Das sagt der DGB, und dem schließen wir Piraten uns an.
Das führt mich zum Änderungsantrag. Sie wollen auf das Instrument des vergabespezifischen Mindestlohns verzichten. Das ist wirklich bemerkenswert, denn andere sozialdemokratisch geführte Bundesländer wie beispielsweise Schleswig-Holstein und Brandenburg gehen da einen anderen Weg – und das aus gutem Grund.
Sie senken also den vergabespezifischen Mindestlohn auf 8,84 €, also den bundesweiten Mindestlohn. Wir sagen: Bei der öffentlichen Beschaffung müssen faire Löhne bezahlt werden, die auskömmlich sind und die ein vernünftige Rentenniveau sichern. Und die Politik muss der Vorreiter sein. Das ist aber unter 10 € nicht zu machen. Anstatt die Löhne zu senken, müssten Sie also den Vergabemindestlohn erhöhen.
Außerdem werden Privatisierungen an Attraktivität gewinnen, wenn eine Ausschreibung an private Firmen Entgelte von nur 8,84 € vorsieht, während die niedrigsten öffentlichen Tariflöhne bei über 10 € liegen. Mit diesem Gesetz werden also öffentliche Leistungen mit Lohndumping ausgelagert. Das wollen Sie vielleicht. Aber wir Piraten wollen das nicht.
(Beifall von den PIRATEN)
Meine Damen und Herren, dieses Tariftreue- und Vergabegesetz ist nicht fair und auch nicht sozial. Wir werden es daher ablehnen. – Vielen Dank.
(Beifall von den PIRATEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Duin.