Wozu noch bloggen zu dem Thema? Keiner kann’s mehr hören, die leidige Geschichte um die Copy&Paste-Promotion des Herrn zu Guttenberg. Liebe CDU/CSU, der Lack ist ab. Und was darunter als Grundierung zum Vorschein tritt, löst echten Ekel aus. Zumindest bei mir. Politik ist oft ein schmutziges Geschäft, das ist wohl jedem klar. Dennoch hatte ich bislang den Eindruck, dass die CDU/CSU – beileibe nicht meine, so doch die Partei meiner Eltern – im Grundsatz nicht mit sich handeln läßt, zumindest was ein Minimalportfolio der christlich-abendländischen Werte betrifft. Im Rahmen der Plagiat-Affäre Guttenberg wurde ich jedoch eines Besseren belehrt. Frau Merkel trennt ja zwischen „wissenschaft-licher Eignung“ und politischer Kompetenz. Politiker müssen also keine ganzen Menschen sein, es reicht, wenn sie ihre Kompetenz von der Ehrbarkeit abspalten. Ehrbarkeit wird zur Verhandlungs-masse[1].
Da offenbart der Herr Verteidigungsminister ein Verhalten, das nicht mehr und nicht weniger als ein Schlag ins Gesicht einer jeden Bürgerin, eines jeden Bürgers gewertet werden muss, die/der auf ehrliche Weise an ihre/seine Berufsabschlüsse gelangt ist. Und das von jemand, der die Messlatte Anstand für sich selbst und andere öffentlichkeitswirksam sehr hoch gelegt hat. Die obligatorische Ehrenworterklärung unter jeder Dissertation verkommt zu bloßen Formsache, ein existenzieller Schaden für unsere Kultur.
Es ist zum Kotzen.
Halten wir fest, führende Juristen und Wissenschaftler, allen voran der frühere Verfassungsrichter Winfried Hassemer, sind in der Lage, auf einen „Vorsatz aus den äußeren Umständen einer Tat zu schließen“. Und Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), warnt davor, Plagiate in der Wissenschaft als Kavaliersdelikt zu verharmlosen.
Die Praxis der beiden Bundeswehrhochschulen kennt – ebenso wie andere Hochschulen im Fall der Offenlegung – keinen zimperlichen Umgang mit Plagiatoren. So sind Fälle von Degradierungen und in einem Fall sogar eine Entlassung aus dem Bundeswehrdienst bekannt. Und dem obersten Dienstherren will man das durchgehen lassen?
Unfassbar. Zweierlei Maß zugunsten des nackten Machterhalts. Natürlich, sowas kennen wir – von Diktaturen.
Und die Pro-Guttenberg-Propaganda stimmt einen Chor der Neidvorwürfe gegenüber allen Guttenberg-Kritikern an, gepaart mit einem Kampagnenverdacht von Links gegen den Freiherrn. Aus der Struktur wird deutlich, das ist selbst schon so etwas wie ein Plagiat.
Das Original trägt übrigens den Namen „Dolchstoßlegende“.
Halten wir fest, ich persönlich neide Herrn zu Guttenberg gar nichts, weder den beruflichen Erfolg, noch sein Charisma oder sein „gutes Aussehen“ oder die adelige Abstammung. Und Links-verschwören tue ich mich auch nicht.
Aber ich bestehe darauf, dass auch im Fall Guttenberg rechts-staatliche Prinzipien eingehalten werden, weiter nichts.
Herr zu Guttenberg, ich gebe zu, Sie hatten mich anfangs beeindruckt, allein durch Ihren Klartext vom Krieg in Afghanistan. Ich fordere Sie auf, treten Sie zurück von allen Ämtern.
Dann, und nur dann, werde ich mich bemühen, in Ihrem Rücktritt den Ausdruck eines Restfünkchens Anstand zu sehen, versprochen. Punkt.
Ihre Partei allerdings, samt Ihrer Kanzlerin, hat bei mir entgültig verschissen.
Nick H.
Fussnoten:
[1] „Mit ihrer lässigen Bemerkung hat Angela Merkel womöglich den größten Schaden in dieser Affäre angerichtet. Sie rührt damit an den Grundfesten der Republik. Es geht um politischen Anstand, um Aufrichtigkeit. Und um Ehre, wenn man so will. Konservative, bürgerliche Werte – was sind sie noch wert? Angela Merkel hat eine eigene Antwort gefunden: Wenn kurzfristiger Machterhalt wichtig ist, dann tauscht sie die Werte gegen langfristige Glaubwürdigkeit.“
Frankfurter Rundschau – Online: Karl-Theodor zu Guttenberg – Meister der Verführung (27.02.2011)
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Hallo Herr Warder,
Sie hauen ja gewaltig auf die Wurst. Im Kern stimme ich Ihnen zu, mittlerweile frage ich mich aber, wohin die unheilige Ehe des der Bevölkerung unterstellten Wunsches nach charismatischen Politikern mit dem medialen Inszenierungswahn noch führen soll in Zeiten, in denen wir mehr den je fachlich gute Politik benötigen. Wo sind die Leute denn alle, die Charisma mit Fachkompetenz verbinden können? Wohl nicht in der Politik. Dort sieht’s eher nach Berlusconisierung aus.
Und Frau Merkels Statement von der Scheinheiligkeit schlägt dem Faß den Boden aus. Die Wutwelle, die da langsam aber heftig aus dem Wissenschaftsbetrieb in die Öffentlichkeit schwappte, war echt, davon bin ich überzeugt.
Darüber hinaus vermag ich auch etwas Positives zu sehen, allein die Feststellung der Plagiate über guttenplag.wikia war ein gutes Beispiel von crowd sourcing, wie man das in der IT-Welt heute nennt. Das Netz schlägt die Bild-Allianz, Grund für Hoffnung oder nur ein schöner Wunsch?
LG, Nick H.
Neue Dolchstosslegende
Natürlich legt zu Guttenberg in seiner Rücktrittsrede den Grundstein für eine neue „Dolchstosslegende“. Tenor: das Heer in Afghanistan, personifiziert in zu Guttenberg, wurde nicht im Felde besiegt, sondern von den bösen Medien, den linken Intellektuellen, dem verrottet-dekadenten Wutbürgertum und seinen elitaristischen Scheinansprüchen, die die „undeutsche“ Opposition im „Reichstag“ instrumentalisierte. Anders kann ich es mir nicht erklären.
Problem hierbei ist allerdings, dass die Lichtgestalt zu Guttenberg eben kein Messias ist, sondern wie weiland Ludendorff, Hindenburg und der deutsche Kaiser nur ein uneinsichtiger Kleinadeliger, der Deutschland in höchstem Maß schadet, sich selbst jedoch m.H. der „Bild“-Zeitung zur Nationalmythos stilisiert. „Du bist Deutschland!“, das wäre ein schöner „Bild“-Titel, bei den Umfragewerten dort, wo sein Cousin arbeitet und wo das Volk beobachtet wird.
War alles schon mal da, auch die Vereinnahmung toter Soldaten und des schrecklichen Krieges da draussen, von denen die pseudoempörte Heimatpresse angeblich keine Ahnung hat. Das führte direkt nach 1933. Wohin wird uns zu Guttenbergs Uneinsichtigkeit führen?
Abschliessend: von jemandem, der soviel Wert legt auf Geschichte, Tradition und Verantwortung, hätte ich erwartet, dass er letztere trägt, indem er sich der zweiteren bewusst ist und das damalige nicht sich wiederholen lässt.