Offener Brief an Richard David Precht

Sehr geehrter Herr Precht,

viele Ihrer Positionen teile ich – insbesondere zum Themenbereich „Digitalisierung und Informationsgesellschaft“ – und halte Ihre allgemeinverständlichen und sympathischen Darstellungen der Problematik für ausgewogen, erfrischend und die gesellschaftliche Debatte bereichernd. Danke dafür!

Allerdings machten Sie am 24.04.18 in der Sendung von Markus Lanz eine Bemerkung, mit der ich so ganz und gar nicht einverstanden bin. Sie sagten „das Silicon Valley hat das Weltbild der Kybernetik“. Ähnlich äußerten Sie sich bereits 2017 in einem Interview des Focus und auch in der Spiegel-Ausgabe 2018/17 von letzter Woche.

Kybernetik hat mit der Ideologie des Silicon Valley in etwa soviel zu tun wie eine Milchkuh mit Bierbrauen. Das sage ich als Mehr lesen

Anti-Aufklärung? Kriegstechnologie? – Anmerkungen zu blinden Flecken im Narrativ der Kybernetik

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„Solange etwas ist, ist es nicht das, was es gewesen sein wird.“ Martin Walser

Aufriss

„Das Menschenbild des Silicon Valley ist das der Kybernetik, nicht das der Aufklärung“, äußerte der Philosoph Richard David Precht am 16.12.2017 in einem Interview des Magazins FOCUS anlässlich einer Buchveröffentlichung. Auf die Rückfrage des Interviewers, was das denn bedeute, erläuterte er, dass „die Aufklärung“ … „den Menschen als Individuum“ betrachte, sie seinen Wunsch des Gebrauchs der Freiheit respektiere und ihn auffordere, „die eigene Urteilskraft zu schärfen, damit er als mündiger Bürger zur Entwicklung der Gesellschaft beitragen“ könne. Allerdings, so führte Precht weiter aus, müsse „dieser Bürger natürlich auch eine Struktur in der Gesellschaft vorfinden, die es ihm“ ermögliche, „sich mit seinen individuellen Vorstellungen an ihr zu beteiligen.“

Grundlegend anders sei hingegen das Menschenbild der Kybernetik. Es gehe laut Precht davon aus, Mehr lesen

Peter Sloterdijk und die Künstliche Intelligenz, oder: Götterdämmerung und antimoderne Hysterie

Anlässlich seines 70. Geburtstags erschien im Suhrkamp-Verlag 2017 ein weiterer Band von Peter Sloterdijk mit dem Titel „Nach Gott“, eine Sammlung von Vorträgen und Aufsätzen.

Der erste, neu verfasste Beitrag titelt mit „Götterdämmerung“ und befasst sich mit den „Verständnissen“ unserer „Gegenwart als Zeit wachsender Komplexitäten und Kompliziertheiten“.[1] Es darf bemerkt werden, dass Sloterdijk zu einer Minderheit gehört, die Mehr lesen

Die Bertelsmann-Stiftung, oder: Die Abwesenheit kybernetischen Denkens in der Politik

Ein Plädoyer für kybernetisches Denken in der Politik

tl;dr: Die Praxis des deutschen Stiftungsrechtes, insbesondere die Existenz der Bertelsmann-Stiftung und ähnlicher Strukturen belegt deutlich die vollständige Abwesenheit kybernetischen Denkens in der Politik.

~ 12 min Lesezeit

Kybernetisches Denken?

Sieht man von den altgriechischen Schiffslenkern einmal ab, dann ist „Kybernetik“ als Bezeichnung für eine auch technische Disziplin eine Schöpfung des 20. Jahrhunderts. Die Bedeutung als politische Denkschule jedoch ist sehr viel älter.

Die Herkunft des Begriffs ist klar bestimmbar. Mehr lesen

vordenker news September 2017 – das Rudolf Kaehr Archiv …

ist online. Hier. Das Lebenswerk eines Ausnahme-Denkers, eines dialektischen Virtuosen des 20. und 21. Jahrhunderts.

Hiermit sei gleich eine Warnung verbunden. Sowohl Digitalisten und Turing-Universum-Gläubige als auch klassische Philosophen oder Mitmenschen, die die klassische Philosophie für die Krone allen Denkens halten, könnten beim Studieren des Lebenswerks von Rudolf Kaehr – ein gewisses Verständnis vorausgesetzt – in Hyperventilation geraten. Kaehrs Werk sprengt die Grenzen eingetretener Denkpfade – wer sich nicht darauf einlassen will, sollte es lassen können.
Wenn Sie sich nicht sicher sind – konsultieren Sie ihren Hausarzt. Für manche kann die prophylaktische Einnahme von Beruhigungsmitteln oder – je nach Prädisposition – anderen neuronalen Enhancern durchaus sinnvoll sein.

In jedem Falle sinnstiftend ist zuvor die Lektüre der Annotationen zum Archiv von Eberhard von Goldammer, die darüber aufklären, was Mehr lesen

Cyber-Voodoo?

~7 min Lesezeit,
akustische Untermalung gewünscht? Tipp: Jimi Hendrix, Voodoo Child (Slight Return)

Es gehört zur Symptomatik unserer Zeit, dass fast täglich irgendwo auf der Welt der Rubikon überschritten wird, aber ebenso, dass wir davon wissen können. Überschreitungen neben offensichtlichen Lügen und Klitterungen auch in Form von postmodernen Sprachspielen, Dehn- ungen, Stauchungen, Verzerrungen bis hin zu Beschwörungen.

Im gleichnamigen Online-Magazin rubikon.news tummeln sich Beiträge zum Zeitgeschehen, die eine große qualitative Bandbreite zeigen. Eher am oberen Ende dieser Bandbreite angesiedelt sind Texte von Matthias Burchardt.

In einem Beitrag von Matthias Burchardt mit dem meiner Auffassung nach vertretbaren kritischen Titel „Digitalisierung von Bildung als neoliberales Projekt“ [1] vom 21.07.2017 wird quasi im schreibenden Vorbeigehen der Begriff des militärisch-kybernetischen Komplexes eingeschlichen. Das nähere textliche Umfeld dieses Begriffs besteht u.a. aus dem Text-Term „Interessen der IT-Lobby“ sowie einem Zitat des neuen alten NRW-Ministers Pinkwart, der eigenen Aussagen zufolge „digital im Kopf“ ist.[2]

Ich widerstehe hier der Versuchung, näher auf die ohne Zweifel aufschlussreiche ministeriale Auskunft zur eigenen intellektuellen Hohlraumversiegelung einzugehen.

Stattdessen frage ich mich, was dieser Burchardtsche Text-Term „militärisch-kybernetischer Komplex“ für eine Bedeutung haben könnte. Ganz eindeutig abgeleitet ist er Mehr lesen

Wer hat Angst vor der Superintelligenz? Wer hat Angst vor Märchen? WTF!

tl;dr: Die Idee der technologischen Superintelligenz, der Maschine, die intelligenter ist als wir, ist ein Objekt des Glaubens und nicht der forschenden, wissenschaftlichen und konstruierenden Tätigkeit von uns Menschen. Sie entspricht – in ihrer Struktur – der mittelalterlich-alchimistischen Hoffnung auf das künstliche Menschlein, den Homunkulus und auch dem neoliberalen Glauben an eine übergeordnete Rationalität des „freien Marktes“. Sie folgt damit auch dem mainstream-Zeitgeist einer neoliberal komplett durchgebimsten Welt. Zwischen Homunkulus und Robot gibt es jedoch einen ganz prinzipiellen Unterschied. Beim Robot weiß der Konstrukteur, was er getan hat und kennt somit auch die Grenzen der Maschine. Mehr lesen

Maschinendämmerung. Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Ein Buch aus der Kategorie „Was soll das?“

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Buchcover

Mit einiger Vorfreude besorgte ich mir das Buch „Maschinen- dämmerung“ von Thomas Rid, das mit dem Untertitel „eine kurze Geschichte der Kybernetik“ verspricht. So etwas bekommt man bekanntlich nicht alle Tage geboten, denn der Begriff „Kybernetik“ ist ja schon eine ganze Weile aus der Mode gekommen.

Thomas Rid,
Maschinendämmerung. Eine kurze Geschichte der Kybernetik. – Aus dem Englischen von Michael Adrian – Propyläen Verlag, Berlin 2016, 496 Seiten, 24,99 Euro

Aus der Mode gekommen ganz im Gegensatz zu dem von Kybernetik, engl. cybernetics, abgeleiteten Präfix „Cyber“, das in tausendundeins Kompositabildungen fröhliche Parties der kompletten Sinnbefreiung feiert, vom Cyber-Cash über Cybercrime, Cyber-Sex und Cybersecurity bis hin zu Cybersozialisten*. Mehr lesen

Anmerkungen zur Kolumne und zum Vortrag von Sascha Lobo „Mensch-Maschine“ vom 02.07.2014 in Spiegel-Online

Gastbeitrag von Eberhard von Goldammer [*]

Link zur hier besprochenen Kolumne von Sascha Lobo: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/ueberwachung-und-kontrollwahn-dahinter-steckt-kybernetik-a-978704.html

Den Kontrollstaat, so wie wir ihn heute erleben, konnte man schon Ende der 80er Jahre voraussagen, nachdem – erst die US-amerikanische – und einige Zeit später die deutsche Mehr lesen