Siebente Einsamkeit? ...
Einsamkeit ...
Er unterbricht irritiert, da er spürt, dass er den Text entweder
nicht versteht, oder diesen zumindest nicht so darbieten kann.
Seine Verunsicherung und Erregung sucht er abzufangen, indem er im
Nietzsche-Buch einen anderen Text wählt. Während er im Buch suchend blättert, spricht
er, als Nietzsche, folgenden Prolog:
Ich bin ein Jünger des Philosophen Dionysos, ich zöge es vor, eher
noch ein Satyr zu sein, als ein Heiliger.
Von mir werden keine neuen Götzen aufgerichtet; die alten mögen lernen, was es mit
thönernen Beinen auf sich hat. Das letzte, was ich versprechen würd', wäre, die
Menschheit zu "verbessern".
Wer die Luft meiner Schriften zu athmen weiss, weiss, dass es eine Luft
der Höhe ist: eine starke Luft. Man muss für sie geschaffen sein, sonst ist die Gefahr
keine kleine, sich in ihr zu erkälten. Das Eis ist nahe, die Einsamkeit ungeheuer - aber
wie ruhig alle Dinge im Lichte liegen! Wie frei man athmet!
Philosophie, wie ich sie gelebt, ist das freiwillige Leben in Eis und Hochgebirge.
Innerhalb meiner Schriften steht für sich mein ZARATHUSTRA, es ist das eigentliche
Höhenluft-Buch.
Hier redet kein "Prophet", keiner jener schauerlichen Zwitter
von Krankheit und Willen zur Macht, die man Religionsstifter nennt. Man muss vor Allem den
Ton, der aus diesem Munde kommt richtig hören!: Die stillsten Worte sind es, welche den
Sturm bringen, Gedanken, die auf Taubenfüssen kommen, lenken die Welt.
(Nun hat er den gesuchten Text gefunden. Der Schauspieler wandelt
sich in Ausdruck und Maske im Verlauf der Vorrede Zarathustra zu Zarathustra.)
Als Zarathustra dreissig Jahre alt war, verliess er seine Heimat und den
See seiner Heimat und ging in das Gebirge. Hier genoss er seines Geistes und seiner
Einsamkeit und wurde dessen zehn Jahre nicht müde. Endlich aber verwandelte sich sein
Herz, - und eines Morgens stand er mit der Morgenröthe auf, trat vor die Sonne hin und
sprach zu ihr also:
"Du grosses Gestirn! Was wäre dein Glück, wenn du nicht Die
hättest, welchen du leuchtest!
Zehn Jahre kamst du hier herauf zu meiner Höhle: du würdest deines
Lichtes und dieses Weges satt geworden sein, ohne mich.
Aber ich wartete deiner an jedem Morgen, nahm dir deinen Überfluss ab und segnete dich
dafür.
Siehe! Ich bin meiner Weisheit überdrüssig, wie die Biene, die des Honigs zu viel
gesammelt hat, ich bedarf der Hände, die sich ausstrecken.
Ich möchte verschenken und austheilen, bis die Weisen unter den Menschen wieder einmal
ihrer Thorheit und die Armen wieder einmal ihres Reichthums froh geworden sind.
Dazu muss ich in die Tiefe steigen: wie du des Abends thust, wenn du hinter das Meer gehst
und noch der Unterwelt Licht bringst, du überreiches Gestirn!
Ich muss gleich dir, untergehen, wie die Menschen es nennen, zu denen ich hinab will.
So segne mich denn, du ruhiges Auge, das ohne Neid auch ein allzugrosses Glück sehen
kann!
Segne den Becher, welcher überfliessen will, dass das Wasser golden aus ihm fliesse und
überallhin den Abglanz deiner Wonne trage!
Siehe! Dieser Becher will wieder leer werden, und Zarathustra will wieder Mensch
werden."
- Also begann Zarathustras Untergang.
"Also begann Zarathustras Untergang." - mit dieser
Schlusszeile ist er auf den imaginären Berg (einen Klotz oder andere vom Kind
zurückgelassene Spielrequisiten) gestiegen.
Er blickt sich lange verwundert um. Ist er nun vortragender Schauspieler oder Zarathustra
oder ein Schauspieler, der Zarathustra zu spielen sucht.
(Als Zarathustra :)
Untergang! Ein Aufgang. Zeugt so der Gegensatz den andern unendlich
fort. Anfang und Ende sind auf dem Kreis selbiges und alles was ist, ist durch sein
Gegenteil zugleich, so wie das Einfache gleich dem Schwierigen sich selbst. Werte! Keine
Werte: Musik, Tanz, Gebärde: Ewige Bewegung, stete Heiterkeit.
(Aus dem Buche weiterlesend, Zarathustra spielend:)
Vor meinem höchsten Berge stehe ich und vor meiner längsten Wanderung:
darum muss ich erst tiefer hinab als ich jemals stieg:
- tiefer hinab in den Schmerz als ich jemals stieg, bis hinein in seine schwärzeste
Fluth! So will es mein Schicksal: Wohlan! Ich bin bereit.
Woher kommen die höchsten Berge? So fragte ich einst. Da lernte ich, dass sie aus dem
Meere kommen.
Dies Zeugniss ist in ihr Gestein geschrieben und in die Wände ihrer Gipfel. Aus dem
Tiefsten muss das Höchste zu seiner Höhe kommen. -
(Normal weiterlesend:)
So stieg Zarathustra allein das Gebirge abwärts und niemand begegnete
ihm. Als er aber in die Wälder kam, stand auf einmal ein Greis vor ihm, der seine heilige
Hütte verlassen hatte, um Wurzeln im Wald zu suchen. Und also sprach der Greis zu
Zarathustra:
"Nicht fremd ist mir dieser Wanderer: vor manchem Jahre ging er hier vorbei.
Zarathustra hiess er; aber er hat sich verwandelt.
Ja, ich erkenne Zarathustra. Rein ist sein Auge, und an seinem Munde birgt sich kein Ekel.
Geht er nicht daher wie ein Tänzer?
Verwandelt ist Zarathustra, zum Kind ward Zarathustra, ein Erwachter ist Zarathustra: was
willst du nun bei den Schlafenden?"
(Zarathustra spielend:)
Ich liebe die Menschen und bringe ein Geschenk, keine Almosen! Dazu bin
ich nicht arm genug. Und was macht der Heilige im Walde? Er macht Lieder und singt sie,
und wenn er Lieder macht, lacht, weint und brummt er und also lobt er Gott.
Sollte es denn möglich sein! Dieser alte Heilige hat in seinem Walde noch nicht davon
gehört, dass Gott todt ist! -
(Zarathustra spricht zu sich, vor sich hin, während langsam das
Minimal "Übermensch" eingeblendet wird.)
Befreiung, Befreiung von lastender Schwere todter Gedanken. Öffnung!
... welch weiter Blick, wenn Einengung fällt. Ja wahrlich er ist todt: es lebe der Gott
des Auf- und Untergangs. Was wäre er ohne den Menschen, lebend seinen Tod, er aber
unsterblich stirbt des Menschen Leben. In diesem Weltspiel ist er, der Mensch,
unentbehrlicher Mitspieler.
Ich, Zarathustra, will ihn zum Spiel befreien.
So will ich denn zu ihnen sprechen:
(Zarathustra beginnt eine Rede zu üben:)
Ich lehre euch den Übermenschen.
Der Mensch ist Etwas, das überwunden werden soll. Was habt ihr gethan,
ihn zu überwinden?
Alle Wesen bisher schufen Etwas über sich hinaus: und ihr wollt die
Ebbe dieser grossen Fluth sein und lieber noch zum Thiere zurückgehn, als den Menschen
überwinden?
(Minimals ausblenden)
(etwas pathetisch:)
Was ist der Affe für den Menschen? Ein Gelächter oder eine
schmerzliche Scham. Und ebendas soll der Mensch für den Übermenschen sein: ein
Gelächter oder schmerzliche Scham.
(Zu sich erläuternd:)
Der alles spiegelnde Affe vergisst zuletzt sich selbst im erstarrten
Bild seiner selbst, vergisst im ewigen Imitieren sich auf das Leben selbst.
(Zarathustra übt weiter seine Rede, nun mit verächtlichem
Unterton:)
Was ist der Affe für den Menschen? Ein Gelächter oder eine
schmerzliche Scham. Und ebendas soll der Mensch für den Übermenschen sein: ein
Gelächter oder schmerzliche Scham.
Ihr habt den Weg vom Wurme zum Menschen gemacht, und Vieles ist in euch noch Wurm. Einst
wart ihr Affen, und auch jetzt noch ist der Mensch mehr Affe, als irgendein Affe.
Zu sich, angeekelt:
Ja, der Wurm-Mensch, kriecherisch, heuchlerisch benutzt, beschmutzt er
alles und jeden zu seinem Ziel: nur seinen niederen Nutzen im Sinn, wie will er da Leben
gewinnen, sich zum Übermenschen bilden?
Und weiter in der Rede:
(Übermensch-Minimal einblenden)
Seht, ich lehre euch den Übermenschen!
Der Übermensch ist der Sinn der Erde. Euer Wille sage: der Übermensch
sei der Sinn der Erde!
Pause bis Musik ausgeblendet ist.
Mit neuem Ansatz, recht sachlich:
Ich beschwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu und glaubt
Denen nicht, welche euch von überirdischen Hoffnungen reden! Giftmischer sind es, ob sie
es wissen oder nicht.
Verächter des Lebens sind es, Absterbende und selber Vergiftete, deren
die Erde müde ist: so mögen sie dahinfahren!
Einst war der Frevel an Gott der grösste Frevel, aber Gott starb, und damit starben auch
diese Frevelhaften.
(Steigernd:)
An der Erde zu freveln ist jetzt das Furchtbarste
und die Eingeweide des Unerforschlichen höher zu achten, als den Sinn der Erde!
Einst blickte die Seele verächtlich auf den Leib: und damals war diese
Verachtung das Höchste: - sie wollte ihn mager, grässlich, verhungert. So dachte sie ihm
und der Erde zu entschlüpfen.
Nicht eure Sünde - eure Genügsamkeit schreit gen Himmel, euer Geiz
selbst in eurer Sünde schreit gen Himmel!
Seht, ich lehre euch den Übermenschen!
Wieder zu sich:
Übermensch-Minimal erklingt ganz leise im Hintergrund.
Nur das tätige Ich ist Übermensch und Fausten gleich gilt:
(zitierend:)
... denn nur wer strebend sich bemüht, den können wir erlösen ...
weiter zu sich:
Der Übermensch ist der, der sich immer neu selbst überschreitet, vom
Ende des Anfangs ew'ger Lauf: Immerwährender Tanz, ewige Wiederkehr!
Weiter die Rede übend:
Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Thier und Übermensch, - ein
Seil über dem Abgrunde.
Ein gefährliches Hinüber, ein gefährliches Auf-dem-Wege, ein gefährliches
Zurückblicken, ein gefährliches Schaudern und Stehenbleiben.
Was gross ist am Menschen, das ist, dass er eine Brücke und kein Zweck ist: was geliebt
werden kann am Menschen, das ist, dass er ein Übergang und ein Untergang ist.
(Musik ausblenden.)
Nachsinnend:
Der Weg des Übermenschen ist der Weg, der entsteht, wenn er ihn geht.
Übergang - Untergang - Auf- und Niedergang, gleicher Bewegung Wort.
Weiter, innig:
Ich liebe Die, welche nicht zu leben wissen, es sei denn als
Untergehende, denn es sind die Hinübergehenden.
Ich liebe die grossen Verachtenden, weil sie die grossen Verehrenden sind und Pfeile und
Sehnsucht nach dem anderen Ufer.
Ich liebe Die, welche nicht erst hinter den Sternen einen Grund suchen, unterzugehen und
Opfer zu sein: sondern die sich der Erde opfern, dass die Erde einst des Übermenschen
werde.
Beiseite:
Denn wie will denn einer wahrhaft überwinden, wahrhaft leben, der nur
nach den Sternen schielt, seine Tugenden hier dem todten Drüben opfert?
Weiter, fest:
Ich liebe Den, welcher lebt, damit er erkenne, und welcher erkennen
will, damit einst der Übermensch lebe. Und so will er seinen Untergang.
Ich liebe Den, dessen Seele sich verschwendet, der nicht Dank haben will
und nicht zurückgiebt: denn er schenkt immer und will sich nicht bewahren.
Vor sich hin, suchend, zweifelnd:
Doch wie werden sie mit tauben Ohren hören, blinden Augen sehen;
schreien und lachen werden sie und ihr Applaus erstickt jeglichen Sinn.
Muss man ihnen erst die Ohren zerschlagen, dass sie lernen, mit den
Augen zu hören?
Muss man rasseln gleich Pauken und Busspredigern? Oder glauben sie nur dem Stammelnden?
Sie haben Etwas, worauf sie stolz sind. Wie nennen sie es doch, was sie
stolz macht? Bildung nennen sie's, es zeichnet sie aus vor den Ziegenhirten.
Drum hören sie ungern von sich das Wort "Verachtung". So will Ich denn zum
ihrem Stolze reden.
(Minimal "Der letzte Mensch" einblenden:)
So will ich ihnen vom Verächtlichsten sprechen: das aber ist der letzte
Mensch.
Gesammelt und klar:
So werde ich also zum Volke sprechen:
Sachlich:
Seht! Ich zeige euch den letzten Menschen.
Was ist Liebe? Was ist Schöpfung? Was ist Sehnsucht? Was ist Stern? - so fragt der letzte
Mensch und blinzelt.
Die Erde ist dann klein geworden, und auf ihr hüpft der letzte Mensch, der Alles klein
macht. Sein Geschlecht ist unaustilgbar, wie der Erdfloh; der letzte Mensch lebt am
längsten.
"Wir haben das Glück erfunden" - sagen die letzten Menschen
und blinzeln.
Sie haben die Gegenden verlassen, wo es hart war zu leben.
Leicht verächtlich:
Man arbeitet noch, denn Arbeit ist eine Unterhaltung. Aber man sorgt,
dass die Unterhaltung nicht angreife.
Man wird nicht mehr arm und reich: Beides ist zu beschwerlich. Wer will noch regieren? Wer
noch gehorchen? Beides ist zu beschwerlich.
Zynisch:
Man ist klug und weiss Alles, was geschehn ist: so hat man kein Ende zu
spotten. Man zankt sich noch, aber man versöhnt sich bald - sonst verdirbt es den Magen.
Man hat sein Lüstchen für den Tag und sein Lüstchen für die Nacht: aber man ehrt die
Gesundheit.
Musik ab.
"Wir haben das Glück erfunden" - sagen die letzten Menschen
und blinzeln.
Zarathustra hat sich etwas in Rage geredet und hält leicht
verbittert inne. Läuft auf und ab, seine Mimik spiegelt den Ekel und die Verachtung für
den letzten Menschen in seiner Mittelmässigkeit und Selbstgenügsamkeit.
Im Lauf stösst Zarathustra aus:
Und dieser letzte Mensch -
dieser Mensch ist er noch Mensch -
der Mensch im Mittelmass -
lebt der Mensch in seinem Mittelmass!?
Rastlos, herumgehend:
Nichts -
nichts wagt er -
noch strebt er - wohin!
nichts bewegt er -
bewegt er sich?
Nun ruhiger, im Zwiegespräch mit sich selbst:
Sie aber werden ihn wollen, ihn den letzten Menschen. Wie können sie
nach dem Übermenschen streben, da sie Tod für Leben, Leben für Tod genommen.
Alles haben, nichts geben, doch der Übermensch ist jener, der alles gibt und nichts hat:
er ist verströmendes Leben, sich immerwährend neu erschaffend, in immer neuer Form, im
ewig gleichen Streben.
Doch der letze Mensch ist der,
der sagt zum Augenblick:
zitierend:
"verweile doch du bist so schön!"
wegwerfend:
Drum ist's um ihn geschehn.
Mit Selbstzweifel:
Jener aber, der das Alte hält und Neuem entgegenstrebt, gleicht er
nicht dem Seiltänzer, der über sich stolpert und noch tiefer fällt?
Emphatisch:
Lass ihn fallen!
Solange er fällt, ist Leben in ihm.
Lass ihn lernen befreit zu fliegen
ohne Netz zu stürzen, auf das Neue zuzustürzen.
Nun ganz verzweifelt:
Doch wo, wo finden sie sich die Flieger, die Stürzer, die Steiger?
Etwas ruhiger, traurig:
Gefährten brauch ich und lebendige,- nicht todte Gefährten und
Leichname, die ich mit mir trage, wohin ich will.
Sondern lebendige Gefährten brauche ich, die mir folgen, weil sie sich selber folgen
wollen - und dorthin, wohin ich will.
Pause. Zarathustra sammelt sich und spricht ruhig:
Und so will ich zu Gefährten sprechen:
(Zarathustra probt eine Ansprache zu imaginären Gefährten.)
Viele wegzulocken von der Herde - dazu kam ich. Zürnen soll mir Volk
und Heerde: Räuber will Zarathustra den Hirten heissen.
Hirten sage ich, aber nennen sich die Guten und Gerechten. Hirten sage ich: aber nennen
sich die Gläubigen des rechten Glaubens.
Siehe die Guten und Gerechten!
Wen hassen sie am meisten?
Den, der zerbricht ihre Tafeln der Werthe, den Brecher, Ver-brecher: - das aber ist der
Schaffende.
Gefährten sucht der Schaffende und nicht Leichname, und auch nicht
Heerden und Gläubige.
Die Mitschaffenden sucht der Schaffende, Die, welche neue Werthe auf neue Tafeln
schreiben.
Den Schaffenden, den Erntenden, den Feiernden will ich mich zugesellen:
den Regenbogen will ich zeigen und alle die Treppen des Übermenschen.
Zarathustra hält inne, heiter erregt und froh gestimmt.
Fröhlichkeit erfüllt ihn, auch Versöhnung:
Er weiss sich nun nicht mehr verlassen; er spürt schon die Gefährten um sich.
Zu den imaginären Gefährten spricht er freundlich:
Gleich dem Regenbogen spannt sich der Übermensch zwischen Licht und
Dunkel: seine Treppen führen hinan, hinab - dazwischen ruht nur der Tod.
Das Bewegende,
das Bewegte lebt,
ist Tanz:
Mit Begeisterung:
Zarathustra lehrt Euch seinen Tanz tanzen!
Zarathustra tanzt, erst langsam zögernd, mit kleinen
Menuett-Schritten, die imaginären Gefährten grüssend, sein Tanz wird zunehmend
ausgelassen.
Zarathustra von Heiterkeit erfüllt, lacht und tanzt.
Und zum Tanze singt, spricht Zarathustra wie folgt:
Ich würd nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde.
Hält inne, besinnt sich:
Und als ich meinen Teufel sah, da fand ich ihn ernst, gründlich, tief,
feierlich: es war der Geist der Schwere, -
(Zarathustras Tonfall wird parodierend, wenn er vom "Geist der
Schwere" spricht.)
dann ernst:
durch ihn fallen alle Dinge.
Nicht durch Zorn, sondern durch Lachen tödtet man.
wieder lachend tanzend:
Auf, lasst uns den Geist der Schwere tödten!
In ruhigerem Tanz:
Ich habe gehen gelernt: seitdem lasse ich mich laufen.
Ich habe fliegen gelernt: seitdem will ich nicht erst gestossen sein, um von der Stelle zu
kommen.
Der Tanz wird freier, ausgelassener:
Jetzt bin ich leicht, jetzt fliege ich,
jetzt sehe ich mich unter mir,
JETZT TANZT EIN GOTT DURCH MICH!
Zarathustra tanzt weiter. Sein Tanz beruhigt sich wird leicht, bald nur noch angedeutet.
Er setzt sich auf einen Stein. Ist klar gesammelt, freundlich heiter und gelöst.
An das Publikum:
Wer die Menschen einst fliegen lehrt, der hat alle Grenzsteine
verrückt; alle Grenzsteine selber werden ihm in die Luft fliegen, die Erde wird er neu
taufen - als "die Leichte".
Der Vogel Strauss läuft schneller als das schnellste Pferd, aber auch er steckt noch den
Kopf schwer in schwere Erde: also der Mensch, der noch nicht fliegen kann.
Schwer heisst ihm Erde und Leben; und so will es der Geist der Schwere! Wer aber leicht
werden will und ein Vogel, der muss sich selber lieben: - also lehre ich.
Nicht freilich mit der Liebe der Siechen und Süchtigen: denn bei denen stinkt auch die
Eigenliebe!
Man muss sich selber lieben lernen - also lehre ich - mit einer heilen und gesunden Liebe:
dass man es bei sich selber aushalte.
Fast in der Wiege giebt man uns schon schwere Worte und Werthe mit: "gut" und
"böse" - so heisst sich diese Mitgift.
Zarathustra hat einen Entschluss gefasst:
So lass ich sie denn in ihr Stammbuch folgendes schreiben:
Schreibt während er spricht in ein altes, grosses Buch:
Die drei Verwandlungen des Geistes:
Wie der Geist zum Kameel wird, und zum Löwen das Kameel, und zum Kinde
zuletzt der Löwe.
Vieles Schwere giebt es dem Geiste, dem starken tragsamen Geiste, dem Ehrfurcht innewohnt:
nach dem Schweren und dem Schwersten verlangt seine Stärke.
Was ist so schwer? so fragt der tragsame Geist, so kniet er nieder, dem Kameele gleich,
und will gut beladen sein.
Aber der Mensch nur ist sich schwer zu tragen! Das macht, er schleppt zu vieles Fremde auf
seinen Schultern. Dem Kameele gleich kniet er nieder und lässt sich gut aufladen.
Was ist das Schwerste, ihr Helden? so fragt der tragsame Geist, dass ich
es auf mich nehme und meiner Stärke froh werde.
Ist es nicht das: sich erniedrigen, um seinem Hochmuth wehe zu thun? Seine Thorheiten
leuchten zu lassen, um seiner Weisheit zu spotten?
Oder ist es das: von unserer Sache scheiden, wenn sie ihren Sieg feiert? Auf hohe Berge
steigen, um den Versucher zu versuchen?
Alles diess Schwerste nimmt der tragsame Geist auf sich: dem Kameele
gleich, das beladen in die Wüste eilt, also eilt er in seine Wüste.
Aber in der einsamsten Wüste geschieht die zweite Verwandlung: zum
Löwen wird hier der Geist, Freiheit will er sich erbeuten und Herr sein in seiner eigenen
Wüste.
Seinen letzten Herrn sucht er sich hier: feind will er ihm werden und seinem letzten
Gotte, um Sieg will er mit grossen Drachen ringen.
Welches ist der grosse Drache, den der Geist nicht mehr Herr und Gott heissen mag?
"Du-sollst" heisst der grosse Drache. Aber der Geist des Löwen sagt "ich
will".
"Du-sollst" liegt ihm am Wege, goldfunkelnd, ein Schuppenthier, und auf jeder
Schuppe glänzt golden "Du sollst!"
Tausendjährige Werthe glänzen an den Schuppen, und also spricht der mächtigste aller
Drachen:
"aller Werth der Dinge - der glänzt an mir."
"Aller Werth ward schon geschaffen, und aller geschaffene Wert- das
bin ich. Wahrlich, es soll kein "Ich will" mehr geben!"
Also spricht der Drache.
Wozu bedarf es des Löwen im Geiste?
Was genügt nicht das lastbare Thier, das entsagt und ehrfürchtig ist?
Neue Werthe schaffen - das vermag auch der Löwe noch nicht:
Aber Freiheit sich schaffen zu neuem Schaffen - das vermag die Macht des Löwen.
Freiheit sich schaffen und ein heiliges Nein auch vor der Pflicht: dazu bedarf es des
Löwen.
Recht sich zu nehmen zu neuen Wehrten - das ist das furchtbarste Nehmen für einen
tragsamen ehrfürchtigen Geist. Wahrlich, ein Rauben ist es ihm und eines raubenden
Thieres Sache.
Als sein Heiligstes liebte er einst das "Du-sollst": nun muss er Wahn und
Willkür auch noch im Heiligsten finden, dass er sich Freiheit raube vor seiner Liebe: des
Löwen bedarf es zu diesem Raube.
Aber was vermag nun das Kind, das auch der Löwe nicht vermochte?
Was muss der raubende Löwe auch noch zum Kinde werden?
Unschuld ist das Kind und Vergessen, ein Neubeginnen, ein Spiel, ein aus sich rollendes
Rad, eine erste Bewegung, ein heiliges Ja-sagen.
Ja, zu Spiele des Schaffens bedarf es eines heiligen Ja-sagens: seinen Willen will nun der
Geist, seine Welt gewinnt sich der Weltverlorene.
Dies sind also die drei Verwandlungen des Geistes: wie der Geist zum
Kameele ward, und zum Löwen das Kameel, und der Löwe zuletzt zum Kinde. -
Zarathustra schliesst das Buch; der Spruch von Heraklit erscheint
wieder.
Zarathustra wird wieder der Schauspieler, der Zarathustra spielt:
Er liest den Spruch verstehend, erst auf griechisch, dann auf deutsch:
Weltzeit - ein Kind ist sie, das spielt, ein Brettspiel spielend; eines
Kindes ist die Herrschaft.
Er überlegt und sucht sich den Satz zu deuten:
Ja, was vermag die einzelne Figur des Brettspiels ohne Miteinander im
Gegeneinander!
Jede Figur ist Figur bloss
zur andern Figur
und zusammen im Gegen-Miteinander entsteht das Spiel,
das ernste Spiel des Kindes um des Spieles willen gespielt.
Langsam wird der Schauspieler wieder Zarathustra :
Der Sieg, bah!
Ein leichtes dem Starken, den Schwachen zu erniedrigen,
wie billig als Schwacher dem Starken zu buhlen!
Ein rechtes Spiel ist's im gleichen Gegeneinander-Miteinander,
im ewigen Spiel,
im Spiel mit sich selbst.
Jeder Zug ein Überwinden,
jeder Gegenzug der Überwinder des Überwindens,
ewige Wiederkehr des Gleichen!
- doch nie des Selben:
Vielfalt in der Einheit, Einheit in aller Vielfalt.
Nun ganz Zarathustra :
Der Ernst des Kindes erst, frei von Zwecken und Frommen, vermag das
Spiel zu spielen.
Befreit nur ist das Kind von der Bürde des Überkommenen, sein die Zukunft.
Noch kennt es demütigende Selbsterniedrigung vor altem Popanz: ein Kind geht aufrecht und
kniet nicht dem Kameele gleich.
Es ist sich selbst Wollen, kennt noch Sieg, noch Niederlage.
Auch wenn der raubende Geist des Löwen von Kameel-Lasten den Menschen befreit und ihm
sein Wollen wieder gibt, überwindet erst das Kind durch sein Ja das Nein. Seine Werte
stehen für sich, sein Wollen ist immer Wollen über-sich-hinaus, lebendiges,
spielerisches Wollen, wie ein aus sich rollendes Rad.
Sich neu besinnend:
Doch mahnen sollt' ich Gefährten und Brüder, zu vieles verstellt ihren
Pfad:
So sei denn meine Rede, wie folgt:
Stellt sich vor dem Spiegel in Position, übt Haltung zu einer neuen
Rede:
Es giebt Prediger des Todes: und die Erde ist voll von Solchen, denen
Abkehr gepredigt werden muss vom Leben.
Voll ist die Erde von Überflüssigen, verdorben ist das Leben durch die Viel-zu-Vielen.
Möge man sie mit dem "ewigen Leben" aus diesem Leben weglocken!
Da sind die Fürchterlichen, welche in sich das Raubthier herumtragen und keine Wahl
haben, es sei den Lüste oder Selbstzerfleischung. Und auch ihre Lüste sind noch
Selbstzerfleischung.
Sie sind noch nicht einmal Menschen geworden, diese Fürchterlichen: mögen sie Abkehr
predigen vom Leben und selber dahinfahren!
Da sind die Schwindsüchtigen der Seele: kaum sind sie geboren, so fangen sie schon an zu
sterben und sehnen sich nach Lehren der Müdigkeit und Entsagung.
Sie wollen gerne todt sein, und wir sollten ihren Willen gut heissen! Hüten wir uns,
diese Toten zu erwecken und diese lebendigen Särge zu versehren!
"Das Leben ist nur Leiden" - so sagen Andere und lügen nicht:
so sorgt doch, dass ihr aufhört! So sorgt doch, dass das Leben aufhört, welches nur
Leiden ist!
"Wollust ist Sünde", - so sagen die Einen, welche den Tod predigen.
"Gebären ist mühsam", - sagen die Andern - wozu noch gebären? Man gebiert nur
Unglückliche!" Und auch sie sind Prediger des Todes.
Und auch ihr, denen das Leben wilde Arbeit und Unruhe ist: seid ihr nicht sehr müde des
Lebens? Seid ihr nicht sehr reif für die Prediger des Todes?
Ihr Alle, denen wilde Arbeit lieb ist und das Schnelle, Neue, Fremde, - ihr ertragt euch
schlecht, euer Fleiss ist Flucht und Wille, sich selbst zu vergessen.
Sich unterbrechend:
Die grossen Verneiner können sich nicht verneinen, denn in ihrem Nein
steht das falsche Ja. So fliehen sie in ihre wilde Arbeit und nennen ihren Fleiss Preis,
ihr Regen Segen, und wie sie sonst noch preisen ihre Flucht.
Ich sehe und sah Schlimmeres und mancherlei so Abscheuliches, dass ich
nicht von Jeglichem reden und von Einigem nicht einmal schweigen möchte: nämlich
Menschen, denen es an Allem fehlt, ausser dass sie Eins zuviel haben - Menschen, welche
Nichts weiter sind als ein grosses Auge, oder ein grosses Maul oder ein grosser Bauch oder
irgend etwas Grosses, - umgekehrte Krüppel heisse ich Solche.
Weiter in seiner Rede:
Wenn ihr mehr an das Leben glaubtet, würdet ihr weniger euch dem
Augenblicke hinwerfen.
Aber ihr habt zum Warten nicht genug Inhalt in euch - und selbst zur Faulheit nicht!
Überall ertönt die Stimme Derer, welche den Tod predigen: und die Erde ist voll von
Solchen, welchen der Tod gepredigt werden muss.
Oder "das ewige Leben": das gilt mir gleich, -
wofern sie nur schnell dahinfahren!
Schweigt erschöpft.
Leise zu sich:
Lassen wir sie dahinfahren in ihr ewiges Leben, damit sie uns das
lebendige Leben lassen.
Schweigen.
Sich aufrichtend:
Wann werden sie entdecken:
Die Liebe zum Leben sei die höchste Hoffnung: und die höchste Hoffnung
sei der höchste Gedanke des Lebens!
Der Mensch ist Etwas, das überwunden werden soll!
Dies sei ihr höchster Gedanke.
Denn im Tun wird der Übermensch erfahren, offenbart sich Sinn im Leben.
Jede Stufe ist soviel, um überwunden zu werden, ein ewiges Werden.
Aufbäumend:
Einst sagte man Gott, wenn man auf ferne Meere blickte; nun aber lehrte
ich euch sagen: Übermensch.
Gott ist eine Muthmaassung; aber ich will, dass euer Muthmaassen nicht weiter reiche, als
euer schaffender Wille.
Könntet ihr einen Gott schaffen? - So schweigt mir doch von allen Göttern! Wohl aber
könntet ihr den Übermenschen schaffen.
Nicht ihr vielleicht selber, meine Brüder! Aber zu Vätern und Vorfahren könntet ihr
euch umschaffen des Übermenschen: und Diess sei euer bestes Schaffen! -
Hält inne, beruhigt sich. Neue Zweifel kommen ihm:
Doch sie werden mich fragen:
So zeige dein Tun Zarathustra! Beweise Deine Taten, denn sie verstehen
nicht, Werden wird nur bei sich.
Bitter:
Wo die Einsamkeit aufhört, da beginnt der Markt; und wo der Markt
beginnt, da beginnt auch der Lärm der grossen Schauspieler.
In der Welt taugen die besten Dinge noch Nichts, ohne Einen, der sie erst aufführt:
grosse Männer heisst das Volk diese Aufführer.
Wenig begreift das Volk das Grosse, das ist: das Schaffende. Aber Sinn hat es für alle
Aufführer und Schauspieler grosser Sachen.
Um die Erfinder von neuen Werthen dreht sich die Welt: - unsichtbar dreht sie sich.
Doch um Schauspieler dreht sich das Volk und der Ruhm: so ist der Welt Lauf.
Geist hat der Schauspieler, doch wenig Gewissen des Geistes. Er glaubt immer an Das, womit
er am stärksten glauben macht - glauben an sich macht!
Der Schauspieler stockt, schient ein Hänger zu haben, beginnt
erneut:
Geist hat der Schauspieler, doch wenig Gewissen des Geistes ...
Zu sich.
Geist spricht er uns Schauspielern ab, der grosse Philosoph und Dichter,
und nennt Zarathustra doch einen Tänzer ...
einen Gaukler, Mimen also
und spricht Nietzsche an anderem Ort nicht selbst von den Schauspielern
der Tugend?:
zitiert:
Wie sollte man nicht alle Künste aufgewendet haben, um seine Tugend zur
Schau zu bringen, vor Allem vor sich selber, schon um der Übung willen! Was nützte eine
Tugend, die man nicht zeigen konnte oder die sich nicht zu zeigen verstand! Diesen
Schauspielern der Tugend tat das Christenthum Einhalt: dafür erfand es das widerliche
Prunken und Paradieren mit der Sünde.
Der Mime der Griechen gegen den Schauspieler der erlogenen
Sündhaftigkeit des Christentums. Die Tugend des Schauspielers gemessen an seiner eigenen
Aufrichtigkeit.
Die Aufrichtigkeit zur Rolle, in der Rolle, in seiner kritischen Haltung oder in der
Bedingungslosigkeit?
Schauspielerei nur eine Täuschung oder "Wahrspielerei" lediglicher Mangel an
Talent?
Und wie schreibt der Schöpfer unseres Zarathustra an anderem Ort:
Um die Menge zu bewegen.
- Muss nicht Der, welcher die Menge bewegen will, der Schauspieler sein selbst sein? Muss
er nicht sich selbst erst ins Grotesk-Deutliche übersetzen und seine ganze Person und
Sache in dieser Vergröberung und Vereinfachung vortragen?
Nimmt ein Buch und liest daraus:
Die Lebens-Fürsorge zwingt fast allen eine bestimmte Rolle auf, ihren
sogenannten Beruf; einigen bleibt dabei die Freiheit, eine anscheinende Freiheit, diese
Rolle selbst zu wählen, den meisten wird sie gewählt.
Beiseite:
So sind wir Schauspieler im Punkte der scheinbaren Freiheit doch
privilegiert!?
Das Ergebnis ist seltsam genug: fast alle Europäer verwechseln sich in
einem vorgerückten Alter mit ihrer Rolle, sie sind selbst Opfer ihres "guten
Spiels", sie haben selbst vergessen, wie sehr Zufall, Laune, Willkür damals über
sie verfügt haben, als sich ihr "Beruf" entschied - und wie viele andere Rollen
sie vielleicht hätten spielen können : denn es ist nunmehr zu spät! Tiefer angesehen
ist aus der Rolle wirklich Charakter geworden, aus der Kunst Natur.
Und wir, die Schauspieler, wir machen Natur zur Kunst, aus flüchtigem
Vergehen Monumente.
Liest weiter:
Wo der Einzelne überzeugt ist, ungefähr Alles zu können, ungefähr
jeder Rolle gewachsen zu sein, wo Jeder mit sich versucht, improvisirt, neu versucht, mit
Lust versucht, wo alle Natur aufhört und Kunst wird ... Die Griechen, erst in diesen
Rollen-Glauben - einen Artisten-Glauben, wenn man will - eingetreten, machten wie bekannt,
Schritt für Schritt eine wunderliche und nicht in jedem Betracht nachahmenswerthe
Verwandlung durch: sie wurden wirklich Schauspieler.
Aber was ich fürchte, was man heute schon mit Händen greift, falls man Lust hätte,
darnach zu greifen, wir modernen Menschen sind ganz schon auf dem gleichen Wege; und jedes
Mal, wenn der Mensch anfängt zu entdecken, inwiefern er eine Rolle spielt und inwieweit
er Schauspieler sein kann, wird er Schauspieler ...
So trifft denn die grosse Schauspieler-Schelte Nietzsches uns letztlich
alle:
liest weiter:
Vom Problem des Schauspielers:
Das Problem des Schauspielers hat mich am längsten beunruhigt; ich war
im Ungewissen darüber (und bin es mitunter jetzt noch), ob man nicht erst von da aus dem
gefährlichen Begriff "Künstler" - einem mit unverzeihlicher Gutmüthigkeit
bisher behandelten Begriff - beikommen wird. Die Falschheit mit gutem Gewissen; die Lust
an der Verstellung als Macht herausbrechend, den sogenannten "Charakter"
beiseite schiebend, überfluthend, mitunter auslöschend; das innere Verlangen in eine
Rolle und Maske, in einen Schein hinein; ein Überschuss von Anpassungs-Fähigkeiten aller
Art, welche sich nicht mehr im Dienste des nächsten engsten Nutzen zu befriedigen wissen:
Alles das ist vielleicht nicht nur der Schauspieler an sich? ...
Ein solcher Instinkt wird sich am leichtesten bei Familien des niederen
Volkes ausgebildet haben, die unter wechselndem Druck und Zwang, in tiefer Abhängigkeit
ihr Leben durchsetzen mussten, welche sich geschmeidig nach ihrer Decke zu strecken, auf
neue Umstände immer neu einzurichten, immer wieder anders zu geben und zu stellen hatten,
befähigt allmählich, den Mantel nach jedem Winde zu hängen und dadurch fast zum Mantel
werdend, als Meister jener einverleibten und eingefleischten Kunst des ewigen
Verstecken-Spielens, das man bei Thieren mimicry nennt: bis zum Schluss dieses ganze von
Geschlecht zu Geschlecht aufgespeicherte Vermögen herrisch, unvernünftig, unbändig
wird, als Instinkt andre Instinkte kommandiren lernt und den Schauspieler, den
"Künstler" erzeugt. Auch in höheren gesellschaftlichen Bedingungen erwächst
unter ähnlichem Drucke eine ähnliche Art Mensch: nur wird dann meistens der
schauspielerische Instinkt durch einen andren Instinkt gerade noch im Zaume gehalten, zum
Beispiel bei den "Diplomaten", - ich würde übrigens glauben, dass es einem
guten Diplomaten jeder Zeit noch freistünde, auch einen guten Bühnenschauspieler
abzugeben, gesetzt, dass es ihm eben "freistünde".
So spielen wir alle "unser" Spiel, wir spielen ... ob mit dem
Ernst des Kindes in seinem Weltspiel? ...
Und wir Schauspieler?
Wir spielen das Spiel. Unser Spiel ist die Darstellung der
Möglichkeiten des Spiels, Hinweis für die "Lebensspieler" zu erweiterten
Auswahlmöglichkeiten in ihrem meist engen, festgefahrenem Rollenverständnis, oder eben
nicht Rollenverständnis: Sie verwechseln Rolle mit Realität, wo Schauspieler spielerisch
Realitäten in Rollen proben!
Und hier scheint der Schauspieler seiner selbst zu erliegen: so nehmen
wir Schauspieler, Ihr Lebensspieler die Schelte Nietzsche als Mahnung eines stetig
Besorgten:
liest weiter:
Es ist der beglückenste Wahn der grossen Schauspieler, dass es den
historischen Personen, welche sie darstellen, wirklich so zu Muthe gewesen sei, wie ihnen
bei ihrer Darstellung, - aber sie irren sich stark darin: ihre nachahmende und errathende
Kraft, die sie gerne für ein hellseherisches Vermögen ausgeben möchten, dringt gerade
nur tief genug ein, um Gebärden, Töne und Blicke und überhaupt dasÄusserliche zu
erklären; das heisst, der Schatten von der Seele eines grossen Helden wird von Ihnen
erhascht, sie dringen bis nahe an die Seele, aber nicht bis in den Geist ihrer Objecte.
Vergessen wir doch nie, dass der Schauspieler ein idealer Affe ist und doch so sehr Affe,
dass er an das "Wesen" und das "Wesentliche" gar nicht zu glauben
vermag: Alles wird ihm Spiel, Ton, Gebärde, Bühne, Coulisse und Publikum.
Nach der Beendigung der Lesung zu sich:
Der Schauspieler also kein Schöpfer, nur Imitator, Affe, sein Spiel nur
wohlfeil!
Ist es nicht so, dass der Schauspieler seiner Schöpfung das Höchste
opfert: sich selbst. Tief steigt er hinab in die Erfahrung und Wissen seiner Gefühle und
Regungen, menschlicher Empfindungen, um es endlich im Äusseren, jedem sichtbar, als
Monument abzubilden. In seiner Tat verweilt der Augenblick, drum ist es um ihn selbst
geschehn. Und je mehr er die Empfindungen nach aussen trägt, je weiter entfernt er sich
von der inneren Quelle: sein stetes Leiden ist die Gefahr des eigenen Verlustes.
Doch sein Spiel ist Welterprobung, ist die realste aller Realitäten:
seine Muskeln,. seine Knochen werden Ängsten, Erinnerungen, Lust und Leiden zum
sichtbaren Ausdruck geliehen.
Es ist das Blut des Schauspielers, welches Faust durchpulst, Hamlet durchschaudert.
Mein Kopf, eines Schauspielers Kopf höre nur den Applaus und alles nur
ein Jahrmarkt eigener Eitelkeiten oder Anpassungen aus Lebensangst.
Dann ende hier dies Stück.
Möge Zarathustra für sich selbst sprechen; lassen wir den Philosophen
selbst durch Raum und Zeit in unseren Köpfen singen, betrachten wir seinen Tanz.
Während diesen Worten hat sich der Schauspieler langsam gedreht und
steht nun mit dem Rücken zum Publikum. Lange verharrt er so. Im Hintergrund ganz leise
Übermensch-Minimals.
Nach langem Schweigen rezitiert der Schauspieler, immer noch mit dem
Rücken zum Publikum, folgendes Gedicht:
Durch so viel Formen geschritten,
durch Ich und Wir und Du,
doch alles blieb erlitten
durch die ewige Frage: wozu?
Das ist eine Kinderfrage.
Dir wurde erst spät bewusst,
es gibt nur eines, ertrage
- ob Sinn, ob Sucht, ob Sage -
dein fernbestimmtes: Du musst.
Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere,
was alles erblühte, verblich,
es gibt nur zwei Dinge: die Leere
und das gezeichnete Ich.
Die Minimal-Patterns verklingen langsam bei der zweitletzten Strophe.
Bei der Zeile:
"... es gibt nur zwei Dinge ..."
herrscht Stille.
Danach schweigt der Schauspieler einen kurzen Moment und geht dann
langsam, wieder zur Bühnenmitte, wobei er folgenden Text spricht:
Langsam ist das Erleben allen tiefen Brunnen: lange müssen sie warten,
bis sie wissen, was in ihre Tiefe fiel.
Abseits vom Markte und Ruhme begiebt sich alles Grosse: abseits vom
Markte und Ruhme wohnten von je die Erfinder neuer Werthe.
Fliehe, mein Freund, in deine Einsamkeit: Fliehe dorthin, wo rauhe, starke Luft weht!
( Mit der Zeile: "... fliehe mein Freund ..." hat sich der
Schauspieler wieder ganz zum Publikum gedreht. Er ist nun wieder Zarathustra. )
Zarathustra spricht nun direkt zum Publikum:
Wahrlich, die Menschen gaben sich alles, ihr Gutes und Böses.
Wahrlich, sie nahmen es nicht, sie fanden es nicht, nicht fiel es ihnen als Stimme vom
Himmel.
Werthe legte erst der Mensch in die Dinge, sich zu erhalten, -
er erst schuf den Dingen Sinn, einen Menschen-Sinn! Darum nennt er sich
"Mensch", das ist: der Schätzende.
Schätzen ist Schaffen: hört es, ihr Schaffenden! Schätzen selber ist aller geschätzten
Dinge Schatz und Kleinod.
Durch das Schätzen erst giebt es Werth: und ohne das Schätzen wäre die Nuss des Daseins
hohl. Hört es, ihr Schaffenden!
Wandel der Werthe, - das ist Wandel der Schaffenden. Immer vernichtet, wer ein Schöpfer
sein muss.
Immer verzichtet, wer ein Schöpfer sein will.
Zu den Werten, die ich geschaffen, gesellen sich in Unzahl jene, die ich
nicht geschaffen: so bin ich im Schaffen Vernichter, im Vernichten Schöpfer.
Die Werthe der Herde, Vernichtung dem befreiten Ich. Keine Fragen mehr, nur noch
Antworten, das Ver-Anworten des gezeichneten Ich:
Nachhörend, zitierend:
Es gibt nur zwei Dinge: die Leere
und das gezeichnete Ich.
Nach einer Pause zu sich:
Doch die Heerde wird sagen: alle Vereinsamung ist Schuld, wer sucht geht
leicht selber verloren. So werde ich ihnen zurufen:
Als Rede:
Frei nennst du dich? Deinen herrschenden Gedanken will ich hören und
nicht, dass du einem Joche entronnen bist.
Frei wovon? Was schiert das Zarathustra!
Hell aber soll mir dein Auge künden: frei wozu?
Kannst du dir selber dein Böses und dein Gutes geben und deinen Willen über dich
aufhängen wie ein Gesetz? Kannst du dir selber Richter sein und Rächer deines Gesetzes?
Furchtbar ist das Alleinsein mit dem Richter und Rächer des eigenen
Gesetzes.
Aber einst wird dich die Einsamkeit müde machen, einst wird dein Stolz
sich krümmen und dein Muth knirschen. Schreien wirst du einst "ich bin allein!"
Schreien wirst du einst: "Alles ist falsch!"
Es giebt Gefühle, die den Einsamen tödten wollen.
Kennst du, mein Bruder, schon das Wort "Verachtung"? Und die Qual deiner
Gerechtigkeit, Solchen gerecht zu sein, die dich verachten?
Du zwingst Viele, über dich umzulernen; das rechnen sie dir hart an. Du
kamst ihnen nahe und giengst doch vorüber: das verzeihen sie dir niemals.
Du gehst über sie hinaus: aber je höher du steigst, um so kleiner
sieht dich das Auge des Neides. Am meisten aber wird der Fliegende gehasst.
Und alle werden sie dich hassen, mehr noch sie werden dir Achtung mit
Verachtung tauschen, bis dass du in ihrem Schmutze um Achtung buhlst.
Und wenn du ihre Achtung so wiedererlangst, wirst du dir selbst zum
grössten Feind und Verächter.
"Wie wollt ihr gegen mich gerecht sein!
- musst du sprechen -
ich erwähle mir eure Ungerechtigkeit als den mir zugemessenen Theil!"
(Minimal "Der Letzte Mensch" einblenden)
Und hüte dich vor den Guten und den Gerechten!
Sie kreuzigen gerne Die, welche sich ihre eigene Tugend erfinden, - sie
hassen den Einsamen.
Und was für Schaden auch die Bösen thun mögen: der Schaden der Guten
ist der schädlichste Schaden.
Und was für Schaden auch die Welt-Verleumder thun mögen: der Schaden
der Guten ist der schädlichste Schaden.
Oh meine Brüder, den Guten und Gerechten sah Einer einmal ins Herz, der da sprach.
"es sind die Pharisäer." Aber man verstand ihn nicht.
Das aber ist die Wahrheit: die Guten müssen Pharisäer sein, - sie haben keine Wahl!
Die Guten müssen Den kreuzigen, der sich seine eigene Tugend erfindet! Das ist die
Wahrheit!
Den Schaffenden hassen sie am meisten: den, der Tafeln bricht und alte Werthe, den Brecher
- den heissen sie Verbrecher.
Die Guten nämlich - die können nicht schaffen: die sind immer der Anfang vom Ende: -
- sie kreuzigen Den, der neue Werthe auf neue Tafeln schreibt, sie
opfern sich die Zukunft, - sie kreuzigen alle Menschen-Zukunft!
Die Guten - die waren immer der Anfang vom Ende. -
Hüte dich auch vor der heiligen Einfalt!
Alles ist ihr unheilig, was nicht einfältig ist; sie spielt auch gerne
mit dem Feuer - der Scheiterhaufen.
"Dem Reinen ist Alles rein" -so spricht das Volk. Ich aber
sage euch: den Schweinen wird Alles Schwein!
Darum predigen die Schwärmer und Kopfhänger, denen auch das Herz niederhängt: "die
Welt selber ist ein kothiges Ungeheuer."
Denn diese Alle sind unsäuberlichen Geistes; sonderlich aber Jene, welche nicht Ruhe,
noch Rast haben, es sei denn, sie sehen die Welt von hinten, - die Hinterweltler!
Denen sage ich ins Gesicht, ob es gleich nicht lieblich klingt: die Welt gleicht darin dem
Menschen, dass sie einen Hintern hat, - so Viel ist wahr!
Es giebt in der Welt viel Koth: so Viel ist wahr! Aber darum ist die Welt selber noch kein
kothiges Ungeheuer!
(Musik ab.)
Manchem Menschen darfst du nicht die Hand geben, sondern nur die Tatze:
und ich will, dass deine Tatze auch Krallen habe.
Aber der schlimmste Feind, dem du begegnen kannst, wirst du immer dir
selber sein; du selber lauerst dir auf in Höhlen und Wäldern.
Einsamer, du gehst den Weg zu dir selber! Und an dir selber führt dein
Weg vorbei an deinen sieben Teufeln!
Einsamer, du gehst den Weg des Schaffenden: einen Gott willst du dir
schaffen aus deinen sieben Teufeln!
Mit deiner Liebe gehe in deine Vereinsamung und mit deinem Schaffen, mein Bruder; und
spät erst wird die Gerechtigkeit dir nachhinken.
Mit meinen Thränen gehe in deine Vereinsamung, mein Bruder. Ich liebe
den, der über sich selber hinaus schaffen will und so zu Grunde geht.-
Vor sich hin:
Und auf deinem einsamen Wege wird das Geschrei der Herde schwächer in
deinen Ohren klingen, deine Tränen von deinem Lächeln zerstrahlt.
Und in deinem Über-sich-selber-hinaus-wollen, wirst du ganz Übermensch sein!
Die Herde, ja sie trachtet nach Wohlergehen, Behaglichkeit; sie rechnen
und berechnen und wähnen, vom Tode schon eingeholt, Unsterblichkeit.
Der Einsame aber er wählt das ewig Fliessende; denn der Fluss dauert
solange er fliesst.
Denn noch immer gilt:
In dieselben Flüsse steigen wir und steigen wir nicht; wir sind es, und
wir sind es nicht.
Zarathustra ist erfreut, sich an diesen Spruch erinnert zu haben. Er
sucht ihn sich selbst zu erläutern und macht daraus eine kleine Rede.
Wenn das Wasser Balken hat, wenn Stege und Geländer über den Fluss
springen: wahrlich, da findet Keiner Glauben, der da spricht: "Alles ist im
Fluss."
Sondern selber die Tölpel widersprechen ihm. "Wie? sagen die Tölpel, Alles wäre im
Flusse? Balken und Geländer sind doch über dem Flusse!"
"Über dem Flusse ist Alles fest, alle die Werthe der Dinge, die Brücken, Begriffe,
alles "Gut" und "Böse": das ist Alles fest! -
Kommt gar der harte Winter, der Fluss-Thierbändiger: dann lernen auch die Witzigsten
Misstrauen; und, wahrlich, nicht nur die Tölpel sprechen dann: "Sollte nicht Alles -
stille stehn?"
"Im Grunde steht Alles stille" -, das ist eine rechte Winter-Lehre, ein gut Ding
für unfruchtbare Zeiten, ein guter Trost für Winterschläfer und Ofenhocker.
"Im Grunde steht Alles still" -: dagegen aber predigt der Thauwind!
Der Thauwind, ein Stier, der kein pflügender Stier ist, - ein wüthender Stier, ein
Zerstörer, der mit zornigen Hörnern Eis bricht! Eis aber -- bricht Stege!
Oh meine Brüder, ist jetzt nicht Alles im Flusse?
Sind nicht alle Geländer und Stege ins Wasser gefallen?
Wer hielte sich noch an "Gut" und "Böse"?
"Wehe uns! Heil uns! Der Thauwind weht!" - also predigt mir, oh meine Brüder
durch alle Gassen!
Zu sich:
Ja, so werd' ich's ihnen deuten. Und weiter will ich meine Gefährten
mahnen:
Wieder zum Publikum:
(Minimal "Übermensch" einblenden.)
Doch auch wenn Du einsam gehst, bleib mir der Erde treu, mit der ganzen
Macht eurer Tugend. Also bitte und beschwöre ich euch.
Lasst sie nicht davon fliegen vom Irdischen und mit den Flügeln gegen ewige Wände
schlagen! Ach, es gab immer so viel veflogene Tugend!
Hundertfältig versuchte und verirrte sich bisher so Geist wie Tugend. Ja, ein Versuch war
der Mensch, lasst uns seine Verheissung im Übermenschen erfüllen.
Nicht nur die Vernunft von Jahrtausenden - auch ihr Wahnsinn bricht an
uns aus. Gefährlich ist es, Erbe zu sein.
Euer Geist und eure Tugend diene dem Sinn der Erde, meine Brüder: und
aller Dinge Werth werde neu von euch gesetzt!
Darum sollt ihr Kämpfende sein! Darum sollt ihr Schaffende sein!
Arzt, hilf dir selber: so hilfst du auch deinem Kranken noch. Das sei
seine beste Hülfe, dass er Den mit Augen sehe, der sich selber heil macht.
Tausend Pfade giebt es, die noch nie gegangen.
Wachet und horcht, ihr Einsamen! Von der Zukunft her kommen Winde mit heimlichem
Flügelschlagen; und an feine Ohren ergeht gute Botschaft.
Ihr Einsamen von heute, ihr Ausscheidenden, ihr sollt einst ein Volk sein; aus euch, die
ihr euch selber auswähltet, soll ein auserwähltes Volk erwachsen: - und aus ihm der
Übermensch.
Wahrlich eine Stätte der Genesung soll noch die Erde werden! Und schon liegt ein neuer
Geruch um ihr, ein Heil bringender, - und eine neue Hoffnung!
(Musik ausblenden.)
Zarathustra schweigt erschöpft. Viel Kraft haben ihn seine Reden,
seine Erprobungen gekostet. Er wirkt aber heiter und gelassen. Langsam weicht seine
Müdigkeit und liebevolles Betrachten zeichnet sein Gesicht.
Fast zärtlich beginnt er zum Publikum zu sprechen:
Allein gehe ich nun, meine Jünger! Auch ihr geht nun davon und allein!
So will ich es.
Wahrlich, ich rathe euch: geht fort von mir und wehrt euch gegen
Zarathustra!
Heftiger:
Und besser noch: schämt euch seiner!
Leise:
Vielleicht betrog er euch.
Wieder wie zu Beginn:
Der Mensch der Erkenntnis muss nicht nur seine Feinde lieben, sondern
auch seine Freunde hassen können.
Eindringlich:
Man vergilt seinem Lehrer schlecht, wenn man immer nur Schüler bleibt.
Fröhlich:
Und warum wollt ihr nicht an meinem Kranze rupfen?
Leicht spottend:
Ihr verehrt mich; aber wie, wenn eure Verehrung eines Tages umfällt?
Hütet euch, dass euch nicht eine Bildsäule erschlage!
Ihr sagt, ihr glaubt an Zarathustra? Aber was liegt an Zarathustra?
Ihr seid meine Gläubigen: aber was liegt an allen Gläubigen!
Ernsthaft:
Ihr hattet auch noch nicht gesucht: da fandet ihr mich. So thun alle
Gläubigen; darum ist es sowenig mit allem Glauben.
Nun heisse ich euch, mich verlieren und euch finden; und erst wenn ihr
mich Alle verleugnet habt, will ich euch wiederkehren.
Mehr zu sich:
Wahrlich, mit anderen Augen, meine Brüder, werde ich mir dann meine
Verlorenen suchen;
mit einer anderen Liebe werde ich euch dann lieben.
Wieder direkt. Minimal "Übermensch" einblenden:
Und einst noch sollt ihr mir Freunde geworden sein und Kinder Einer
Hoffnung: dann will ich zum dritten Male bei euch sein, dass ich den grossen Mittag mit
euch feiere.
Zunehmend erhaben, aber ohne Pathos, mit ernster Heiterkeit:
Und das ist der grosse Mittag, da der Mensch auf der Mitte seiner Bahn
steht zwischen Thier und Übermensch und seinen Weg zum Abende als seine höchste Hoffnung
feiert: denn es ist der Weg zu einem neuen Morgen.
Alsda wird sich der Untergehende selber segnen, dass er ein Hinübergehender sei; und die
Sonne seiner Erkenntnis wird ihm im Mittag stehen.
Zarathustra schweigt, verlorenen in eigene Visionen, getragen von
eigener erhabener Heiterkeit. Er wendet sich ab. Zarathustra wird wieder zum Schauspieler,
der nun mit dem Buch in der Hand in den Vordergrund tritt und liest:
Todt sind alle Götter: nun wollen wir, dass der Übermensch lebe.
diess sei einst am grossen Mittage unser letzter Wille! -
Also sprach Zarathustra .
Nun ganz vorn, wie zu Beginn des Stückes an der Rampe sitzend.
Das Stück endet, wenn Zarathustra nun ganz ruhig, heiter und
gelassen den Dithyrambus "Die Sonne sinkt" schmucklos "erfindet" und
mit der Schlusszeile:
... Silbern, leicht, ein Fisch, schwimmt nun mein Nachen hinaus ...
beginnt der Schauspieler, beginnt Zarathustra zu spielen, so wie das
Kind zu Beginn des Stückes. Die Projektion des Heraklit-Fragmentes erscheint wieder. Im
Vordergrund spielt der Schauspieler zufrieden, selbstvergessen. Dazu erklingen
übergeleitet aus dem Übermensch-Minimal die aufgelösten Parsifal-Klänge.
Nicht lange durstest du noch,
verbranntes Herz!
Verheissung ist in der Luft,
aus unbekannten Mündern bläst mich's an,
- die grosse Kühle kommt ...
Meine Sonne stand heiss über mir im Mittage
seid mir gegrüsst, dass ihr kommt
ihr plötzlichen Winde
ihr kühlen Geister des Nachmittags!
Die Luft geht fremd und rein.
Schielt nicht mit schiefem
Verführerblick
die Nacht mich an? ...
Bleib stark, mein tapfres Herz!
Frag nicht: warum? -
Tag meines Lebens!
die Sonne sinkt.
Schon steht die glatte
Flut vergüldet.
Warm atmet der Fels:
schlief wohl zu Mittag
das Glück auf ihm seinen Mittagsschlaf?
In grünen Lichtern
spielt Glück noch der braune Abgrund herauf.
Tag meines Lebens!
gen Abend geht's!
Schon glüht dein Auge
halbgebrochen,
schon quillt deines Thaus
Tränengeträufel,
schon läuft still über weisse Meere
deiner Liebe Purpur,
deine letzte zögernde Seligkeit ...
Heiterkeit, güldene, komm!
du des Todes,
heimlichster süssester Vorgenuss!
- Lief ich zu rasch meines Wegs?
Jetzt erst, wo der Fuss müde ward,
holt dein Blick mich noch ein,
holt dein Glück mich noch ein.
Rings nur Welle und Spiel.
Was je schwer war,
sank in blaue Vergessenheit, -
müssig steht nun mein Kahn.
Sturm und Fahrt - wie verlernt er das!
Wunsch und Hoffen er trank,
glatt liegt Seele und Meer.
Siebente Einsamkeit!
Nie empfand ich
näher mir süsse Sicherheit
wärmer der Sonne Blick.
- Glüht nicht das Eis meiner Gipfel noch?
Silbern, leicht, ein Fisch,
schwimmt nun mein Nachen hinaus ...
Die Bühne bleibt offen.
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