Liebe Vordenkerinnen, liebe Vordenker,
für dieses Mal präsentieren wir erstens den schwedischen Denker John Cullberg, der sich dem philosophischen Problem des Du widmete.
In seiner Anmoderation von John Cullbergs „Das Du und die Wirklichkeit“ würdigt Eberhard von Goldammer das Werk Cullbergs als eine diagnostisch zu nennende Aufarbeitung der abendländischen Philosophiegeschichte von Platon bis zum deutschen Idealismus unter dem Gesichtspunkt der Du-Problematik. Von Goldammer stellt den „metaphysischen Subjektivismus“ (Cullberg) der deutschen Klassik dem blinden Fleck in den heutigen empirischen Wissenschaften gegenüber, in denen Subjektivität aus der Reflexion ausgeblendet ist, und macht deutlich, dass eine Säkularisierung des Du-Problems notwendig ist, die aller künftiger (posthumaner) Wissenschaft voraus zu gehen hat. Er schlägt die Brücke zu den Arbeiten Gotthard Günthers und Rudolf Kaehrs, in deren Polykontexturalitätstheorie die formale Einschreibung von Standpunktabhängigkeiten und damit die Säkularisierung des Du weitgehend durchgeführt ist.
Zweitens stellen wir hier das erstmals im Jahr 1922 erschienene Werk „Das Menschheitsrätsel“ des jüdischen Arztes und Anthropologen Paul Alsberg bereit, der während des braunen Regimes einige Zeit im KZ Oranienburg festgehalten wurde und anschließend nach England floh, ein weiteres Beispiel für den katastrophalen bis heute nachwirkenden brain drain 33-45. Alsberg ist neben vielen anderen ein hervorragendes Beispiel für die durch den Nationalsozialismus vernichtete inter- und transdisziplinäre Denkkultur, die im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts in Deutschland gepflegt wurde. „Das Menschheitsrätsel“ wurde Mitte der siebziger Jahre von Dieter Claessens „wiederentdeckt“ und erfuhr jüngst durch Peter Sloterdijk insbes. in seinem Aufsatz „Die Domestikation des Seins“ (enthalten im Band „Nicht gerettet – Versuche nach Heidegger“) eine erneute Rezeption. Der durch Alsberg geprägte Begriff der Körperausschaltung stellt einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis der Anthropogenese bereit. Vor der Hintergrundfolie von Alsbergs Körperausschaltung erhält Marshall McLuhans Dialektik der Körpererweiterungen und Anästhesierungen durch Medien und Technik ein neues, gewissermaßen anthropogenetisches Gewicht. Alsberg bewegt sich mit seinem Konzept deutlich jenseits des Gegensatzes von Kulturpessimismus und Technikeuphorie. Sein Werk liefert somit einen wichtigen Baustein zur Bestimmung der Frage nach der Conditio humana.
Desweiteren weisen wir auf eine kommende Buchveröffentlichung des Düsseldorfer Autors A. J. Weigoni hin. „Zombies„, ein Band schwarzhumoriger Erzählungen, erscheint in der „Edition Das Labor – Verlag der Artisten„.
Viel Spaß beim Lesen,
Ihr vordenker team,
i. A. Nick H.