Woon–Jung Chei
aus Seoul
erhält für ihre Arbeit als Kulturvermittlerin
das Hungertuch 2009
Woon–Jung Chei wurde in Seoul geboren.
Sie studierte Germanistik und Philosophie an der
Heinrich–Heine–Universität in Düsseldorf und nahm danach das Studium der
Sozialwissenschaften an der Gerhard–Mercator–Universität in Duisburg auf.
Neben zahlreichen Veröffentlichungen in deutschen und koreanischen
Literaturzeitschriften und Anthologien hat sie mehrere Bücher in
Deutschland veröffentlicht. Ihr Anliegen ist es, dem deutschen Publikum
eine Hilfe zum besseren Verständnis dieser fremden Kultur zu bieten. Für
diese Kulturvermittlung bedient sich Chei aus unterschiedlichen Quellen
und fächert die kulturellen
Facetten ihres Landes sehr unterschiedlich auf.
In ihren Texten beschreibt Chei die Kultur in Korea als Spiegelbild, aber
auch als notwendigen Gegenpol, des im Berufsleben existierenden
Existenzkampfes dar. Sie gewährt Einblicke in die Religion der
koreanischen Gesellschaft, hier zeichnet sie die Koexistenz von modernen
sowie der ältesten Religionen der Welt nach. So sind der Konfuzianismus
aus China, der Buddhismus aus Indien und das Christentum vertreten. Das
Interessante ist, daß diese Religionen miteinander vermischt existieren.
Jeder Bewohner aus dem "Land der Morgenstille", ist mehr oder weniger
Konfuzianer. Dies zeigt sich darin, daß die Verhaltensweisen ebenso wie
die gesellschaftliche Moral stark vom Konfuzianismus beeinflusst sind. Der
Grund für diesen Einfluss ist darin zu sehen, daß die Jahrhunderte der
letzten Königsdynastie stark von diesem Gedankengut durchdrungen waren.
Grundprinzipien dieser Religion sind Ehrerbietung und Rangordnung. Chei
beschreibt, daß die Rangordnung für kein Volk auf der Welt
wichtiger ist, als für Koreaner.
Als Kulturanthropologin erforscht Chei die koreanische Frühgeschichte und
bietet dem Leser ein Verständnis für die Kultur des Schamanismus,
sowie ihr Blickfeld und die Urteilsfähigkeit bezüglich der koreanischen
Kultur zu erweitern. In dieser Agrargesellschaft war der Schamanismus fest
verwurzelt, da er durch seine enge Bindung an die Natur und deren
Phänomene die Bevölkerung durch den gesamten Jahresablauf begleitete.
Selbst in der modernen Industriegesellschaft
haben einige Bräuche überlebt.
In koreanischen Märchen nachgeprüft Chei Mythen, die sich eindeutigen
Gattungstrennung nach Märchen, Fabeln, Legenden oder Sagen widersetzen.
Diese Mythen sind nicht nur erd–, sondern auch wasser–, feuer– und
himmelsverbunden, was auf die bedeutenden Einflüsse der taoistischen
Naturphilosophie verweist. In zahlreichen Märchen tauchen Götter, Geister,
Prinzessinnen und Prinzen auf; sie erscheinen oft auf wundersame Weise und
bringen eine Lösung für unlösbar erscheinende Probleme.
Als Übersetzerin sind ihre kongenialen Übertragungen »Die Sterne über dem
Land der Väter« von Ko Un hervorzuheben. In diesem Band finden wir
Erinnertes und aus Empfindungen Imaginiertes, Rückblicke bis in die frühen
Wanderjahre, in die Zeit der ersten Auflehnung gegen das Militärregime
nach dem 2. Weltkrieg und darin eingebettet die Utopie oder besser
Hoffnung, es werde der Tag des Festes kommen, der Wiedervereinigung des so
lange in Süd und Nord zerstückelten ›Landes der Väter‹.
Chei ist auch selbst als Lyrikerin hervorgetreten. Ihre Poesie beeindruckt
durch ihre Abkehr von künstlicher Komplexität, sie basiert auf natürlicher
Einfachheit. Chei schreibt aus ihrem koreanischen Hintergrund heraus über
die Freiheit, die Liebe und den Tod. Dabei macht die gegenseitige
Befruchtung östlicher und westlicher Kultur
einen besonderen Reiz ihrer Lyrik aus.
Matthias Hagedorn, vordenker.de, 2009
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