Das HungertuchErstmals verliehen |
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Barbara Ester erhält in Anerkennung ihrer Arbeit am Krimi "Massaker" das Hungertuch für Literatur 2001
Eine Impotenz des Herzens veranlaßt die Protagonistin Jackie, eine psychopathische Serienmörderin, sich selbst als Parasit und Vampir zu sehen. Sie kann nichts für die Zerstörung, die sie verursacht, denn Jackie ist letztlich ihr eigenes Opfer, damit ähnelt sie vielen Gestalten der expressionistischen Literatur, eine Fremde unter ihren Mitmenschen. Der psychologische Prozeß, den man in der Entwicklung des Vampirismus, der sich im Werk »Massaker« als Serienmord manifestiert, beobachtet ist folgender: Die Flucht vor einer unerträglichen Wirklichkeit erzeugt ein Gefühl der Leere. »Massaker« erzählt vom Niedergang des Individualismus im 21. Jahrhundert an philosophiegeschichtlicher Bedeutung. Anhand des Sprachrealismus, dem sich Barbara Ester verpflichtet, impliziert sie gesellschaftspolitische Vorbehalte gegen die konventionelle Literatursprache, so daß man von der dargebotenen Sprachproduktion als Sprachkritik und Gesellschaftskritik sprechen kann. Es ist die umgangssprachliche Beschreibung von Alltäglichem, welche eine stärkere Dialektik auf moralisch–ethischer Ebene beherbergt, als jede elaborierte Abhandlung hätte evozieren können. Daß spannende Unterhaltungslektüre das soziale Engagement im Leser hervorrufen kann, beweist »Massaker« durch die Nachdenklichkeit, die es zurückläßt, wenn man den Trubel des Geschehens, nämlich der Cranger Kirmes hinter sich gelassen hat: dann blickt man auf den hysterischen Trubel einer viel größeren Kirmes: Der atomisierenden Maschinerie der modernen Gesellschaft, die das Individuum ermordet. B. Davis, M.A. Germanistik + Ph.D. Graduate at UCI, Kalifornien |
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