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Das Hungertuch

2005

Hungertuch-Startseite

Die Laudatio auf die Preisträger von Dr. Enrik Lauer

 

Matthias Hagedorn
aus Bad Mülheim
erhält in Anerkennung seines Lebenswerks
das Hungertuch 2005

 

Matthias Hagedorn als unentwegter Essayist, der die Marotten des Kultur–Betriebs durchschaut hat und uns spiegelnd vorlegt, der offenen Auges in die selbst gelegten Fallen fährt und zeigt, daß die Realität nur eine Illusion der Illusion ist. Hagedorn ist ein unentwegter Sucher und Finder, ein Komponierer und Kompilierer, der die Grenzen von Person und Werk wohl aufspürt, letztlich allerdings durch sein Tun konterkariert und auf diese Weise das Bewusstsein für einen erweiterten Werkbegriff in die Datenwelt trägt. War das Werk bisher als erweiterbar im Sinne des weiter daran Arbeitens denkbar, stellt sich hier die Tatsache des interpersonellen Handelns als Herausforderung für kommentierendes Schaffen.

Kultur basiert seit jeher auf dem Prinzip der Adaption, der Anspielung und der Kopie. In dem Moment, wo man das Leben in irgendeiner Weise literarisiert, distanziert man sich. Hagedorns Leitstern ist Walter Benjamin, der sich von der Montage und Konstellation von Zitaten nicht nur eine neue Kunstform, den Funken der Erkenntnis, sondern eine Art von Erlösung der Vergangenheit versprach, indem er ihre Tradierbarkeit durch ihre Zitierbarkeit ersetzte – so sehr, daß er an eine Buchpublikation aus lauter Zitaten dachte. Hagedorns avancierte Zitattechnik lässt im digitalen Zeitalter auf humanistische Bildung schliessen. Das Subjekt des Autors geht in die Form und Substanz seines Materials ein – was sich die Entsagungsbereitschaft von Herausgebern kategorisch versagt. Hagedorn betrachtet sich ausdrücklich als Amateur, weil in diesem Begriff das Wort Amour steckt.

Haimo Hieronymus, Bismarkturm, Sommer 2005