Denise Steger
aus Linz am Rhein
erhält in Anerkennung ihres künstlerischen Werks
das Hungertuch für Bildende Kunst 2011
Einer fragmentierten Welt eine neue
Struktur durch Denkgitter geben, dieser Aufgabe stellt sich die Künstlerin
Denise Steger. Die Flut der Bilder, die das Internetzeitalter bestimmt:
Verkleinerungen und die dem entsprechende Vermehrung optischer Reize sowie
die Schnelligkeit der Bildübermittlung – erfordern ein neues Sehen und ein
anderes Denken, welches zukünftige Generationen sicher beherrschen werden.
Ihre Werke brauchen dieses ‘neue Hinsehen’ als Voraussetzung für das
Bildverständnis. Stegers Kunst liegt nicht in der Beschränkung,
sondern darin, sich der Vielfalt zu stellen.
Ihr Studium der Kunst–, Literatur und Musikwissenschaften an der
Universität Bonn führte die Artistin zur Auseinandersetzung mit
Kunstprinzipien des Mittelalters und system–theoretischen
Interpretationsansätzen. In ihren künstlerischen Arbeiten entwickelt sie
Konzepte, in denen korrespondierende Bild– und Objektsysteme unter
thematischen und persönlichen Aspekten ausgewählt und auf vielfältige
Weise kombiniert werden. Diese Tätigkeiten erstrecken sich von
kleinformatigen Zeichnungen bis zu raumgreifenden Installationen. Die
Bildordnung erfolgt im ‘freien Raum’ – bestimmt durch Farbflächen und
Liniengerüste.
Auf einer Meta–Ebene geht es Steger in ihrer Arbeit um die Frage nach
der Prozessualität von Kunst:
Wo entsteht Kunst im Gehirn, welchen Prozess durchlaufen die Artisten,
bis sie sichtbar wird?
Wann entsteht die Ideenskizze zu einem Kunstwerk, das irgendwann
einmal sichtbar wird?
Ist Sprache gleich Denken oder sind Bilder das nicht auch, wenn wir
für unsere Empfindungen keine Sprache haben?
Dies überträgt sich auch in ihr Künstlerbuch. „Jonahan und sein Gebet“ ist
ein Dokument für das ausgekühlte, abgeklärt illusionslose Lebensgefühl
einer Generation. Cool begegnen sich Menschen darin, gefangen im
interessiert–desinteressierten Ichbezug, herrscht oft Berührungslosigkeit.
Dieser lyrische Roman balanciert auf der ununterscheidbaren Grenze von
wahrer und falscher Lebendigkeit, gutem und schlechtem Symptomen. Diese
Literatur ist als eine Art Geigerzähler zu betrachten, die die psychischen
Strahlungen in einer endsolidarisierten Gesellschaft registriert. Steger
schildert die entleerende Postmoderne, in der sich Anstößiges mit
Visionärem vermengt, die Banalität mit der Schwermut. Diese Welt ist
bevölkert von Egomanen ohne Ego, von Erotomanen ohne Eros. Dabei
beschreibt sie die Lebenswelt am ausgehenden 20. und beginnenden 21.
Jahrhundert mit einer klinischen Kühle und Sterilität als operiere sie den
Patienten am offenen Herzen. Steger konstatiert, daß die Folgen der
sogenannten Globalisierung auch im Rheinland angekommen sind, sie
beschreibt den Zustand des Verschwindens, das aus der Welt und aus dem
eigenen Leben.
Stegers Denkgittern liegen Baugitter zugrunde, deren Stäbe sie teilweise
herausbrach, teilweise mit Objekten und Bildern füllte, sie mitten in
einen Raum stellt oder hängt. Auf diese Art und Weise ergibt sich ein
durchlässiger Bildgrund, der alles, was im Raum geschieht und gesagt wird,
sei es Musik, Literatur, Bewegung und natürlich den Raum selbst, in sich
aufnimmt und weitergibt. Die Vielfalt der Schöpfung in ihren Systemen und
in der Verbindung von Systemen ist ein Beweggrund zur Darstellung.
Individualität und Einzeldarstellungen treten zurück
gegenüber einer Gesamtschau jenseits der real erfassbaren Welt. Ihre
Bilder und Objekte stehen nicht für sich selbst, sondern werden unter thematischen oder auch persönlichen Aspekten in größere Zusammenhänge
gestellt.
Matthias Hagedorn, Werkstattgalerie Der Bogen, Februar 2012
|