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Anmoderation zu

 

"Eine willens-schwächelnde Forschergemeinde in Darwins Kirche"

von Eberhard von Goldammer


Zum Haupttext

Man weiß eigentlich nicht genau, ob man sich über die Flut und die Qualität der Diskussionsbeiträge zum Thema "Willensfreiheit" nur wundern oder ärgern soll. Wenn man Das Manifest [1] von elf führenden Neurowissenschaftlern über die Gegenwart und die Zukunft der Hirnforschung liest, dann fragt man sich, ob das wirklich die Wissenschaftselite ist, die da schreibt, oder ob es sich dabei um ein Produkt der neuen "PISA-Generation" handelt. Man kann ja über Schüler und Studenten schimpfen, dass diese nicht mehr lesen oder nicht mehr richtig lesen können – aber wenn selbst elf der (angeblich) führenden Neurowissenschaftler wesentliche Beiträge ihrer Fachliteratur nicht kennen oder nicht kennen wollen, dann ist das ein intellektuelles Armutszeugnis, was seines Gleichen sucht.
Da wird über Monismus und Dualismus geredet und geschrieben, ohne dass auch nur einer der Koryphäen bemerkt, dass diese Dichotomie auf der Basis der von Günther vor mehr als einem halben Jahrhundert eingeführten trans-klassischen Logik längst obsolet geworden ist.

Da wird wie selbstverständlich angenommen, man könne alle Prozesse, die das Leben in einem Organismus bestimmen, sequentiell, d.h. im Modell einer Abfolge von diskreten oder kontinuierlich aufeinander folgenden Zeitpunkten beschreiben. Schon 1945 hat der Neurophysiologe Warren St. McCulloch den Begriff der Heterarchie – also der Nebenordnung neuronaler Prozesse – in die Wissenschaft eingeführt.[2] Man sollte meinen, dass wenigstens die Neurowissenschaftler einmal versucht hätten, darüber nachzudenken, was das für ihre Forschung, d.h. für die Interpretation ihrer Ergebnisse bedeutet — aber weit gefehlt. Man kennt noch nicht einmal den Begriff der Heterarchie – wozu auch? — Hätte man sich damit beschäftigt, dann müsste man manch lieb gewonnene Denkgewohnheit heute über Bord werfen – eine Entrümpelung für die es allerhöchste Zeit wäre. Man könnte dann allerdings auch nicht mehr soviel publizieren, wie das heute der Fall ist, dafür müsste man aber sehr viel mehr an "Hirnschmalz" aufbringen – das ist sicherlich ein mögliches Hindernis auf dem Weg zu einem neuen trans-klassischen Wissenschaftsverständnis.

Da kommt es weder den Neuroforschern noch den Philosophen in den Sinn, dass man zwischen Bewusstseinsinhalt und Bewusstseinsprozess unterscheiden muss. Wenn man aber mit wissenschaftlichen Begriffen derart schludrig umgeht – anders kann man das nicht bezeichnen, dann darf man sich nicht wundern, wenn eine Diskussion wie Kraut und Rüben über die Bühne der Medien rauscht. Man hat dann kaum noch Lust, die Beiträge im einzelnen lesend zu verfolgen. Und noch schwieriger wird es, diesem begrifflichen Chaos etwas entgegen zu setzen, denn man muss nahezu alle Begriffe erst einmal mühsam auseinander klauben, um sie dann klärend neu zu ordnen. Da weiß man gar nicht wo man anfangen soll, soviel gibt es da zu tun. Die Glosse "Eine willens-schwächelnde Forschergemeinschaft in Darwins Kirche" ist ein Versuch wenigstens einige der Begriffe zu sortieren und neu zu bestimmen.

Mindestens ebenso verrückt und fast schon irrational ist eine Diskussion, die sich vorwiegend in den USA aber auch im alten Europa um die 'Evolutionstheorie' (im folgenden als 'ET' abgekürzt) rankt. Letztere wird von Neurowissenschaftlern ja wie selbstverständlich vorausgesetzt. Wenn man aber einen materialistisch-monistischen Standpunkt einnimmt – und dazu bekennt sich die Mehrheit der Neurowissenschaftler, ohne allerdings die wissenschaftslogischen Konsequenzen jemals reflektiert zu haben –, dann muss man auch einmal kritisch hinterfragen, wie sich dieser Standpunkt mit der heute allgemein als gültig akzeptierten 'Evolutionstheorie' verträgt. In einem materialistisch-monistischen Bild der Welt kann beispielsweise der Urknall nicht stattgefunden haben. Aber auch die Entstehung von Leben aus unbelebter Materie kann auf der Basis eines materialistisch-monistischen Wissenschaftsverständnisses nicht geklärt werden, denn auf der Basis dieses Paradigmas ist es unmöglich zu definieren, was man unter 'Leben' überhaupt verstehen will. Aber das alles wird natürlich nicht diskutiert – wozu auch?

Es kommt den Neuro- oder Biowissenschaftlern gar nicht in den Sinn, dass es neben evolutiven auch emanative Prozesse geben muss, und dass die einen nicht ohne die anderen zu denken sind. Solange der "Mainstream" der Biowissenschaftler dieses nicht zur Kenntnis nimmt, kann man über die heute akzeptierte 'ET' kaum kritisch diskutieren, obwohl sie das Papier auf dem sie steht eigentlich nicht wert ist, – jede solche Diskussion muss im Irrationalen enden. Das kann man sehr einfach an der Dichotomie von Monismus und Dualismus demonstrieren. Es ist nämlich egal, welchen der beiden Standpunkte man einnimmt. Beide implizieren zwangsläufig einen (jenseitigen) Schöpfer. Bei dem Monismus haben wir das eben schon zu erklären versucht, man kann Leben logisch nicht definieren, ohne sich in Zirkularitäten zu verfangen. Da hat man dann nur die Wahl zwischen Newton, also einer zeitlich-statischen Ewigkeit, oder eben Jesus. Andererseits setzt der Dualismus bekanntermaßen ohnehin auf den schöpfenden Geist als den unbewegten Beweger, d.h. als die Ursache alles Seienden, eine Ursache, die irgendwo im Jenseitigen zu suchen ist.

Daher ist die Diskussion über eine mögliche "nicht-reduzierbare Komplexität", die allem Leben zugrunde liegen soll, wie sie von Michael J. Behe [3] als Hypothese postuliert wurde, – so wie sie geführt wird – total sinnlos. – Diese Diskussion ist auch irrational und zwar von beiden Seiten, allerdings weniger seitens der Befürworter als vielmehr von den Gegnern dieser Hypothese.[4] Solange man nicht einmal angeben kann, was man konkret, – d.h. in einer endlichen Abfolge von logisch sich nicht widersprechenden Aussagen – unter einer "nicht-reduzierbaren Komplexität" in diesem Zusammenhang wissenschaftslogisch verstehen soll, solange führt eine derartige Diskussion nur im Kreise herum, und die Stigmatisierung der Befürworter dieser These als Kreationisten ähnelt eher einem Religionsstreit, der zwischen Gläubigen und Dogmatikern in Darwins Kirche ausgebrochen ist.[5]

Endnoten

[0] Eberhard von Goldammer: Eine willens-schwächelnde Forschergemeinde in Darwins Kirche – Anmerkungen zum Projekt der Suche nach einem Boden in einem Fass ohne Boden —


[1] Das Manifest – Elf führende Neurowissenschaftler über Gegenwart und Zukunft der Hirnforschung, in: Gehirn & Geist, Heft 6, 2004 — http://www.gehirnundgeist.de/blatt/det_gg_manifest
sowie: http://www.wissenschaft-online.de/gehirn_geist/pdfs/leseprobe/GuG_04_06_S030.pdf zurück zum Text

[2] Warren St. McCulloch: A Heterarchy of Values determined by the Topology of nervous Nets zurück zum Text

[3] BOSTON REVIEW: Articles on Evolution — URL: http://www.bostonreview.net/evolution.html

[4] Urs Willmann: Entwürfe in Gottes Namen, in: Die Zeit, Nr. 19 vom 30.04.2003 — URL: http://www.zeit.de/2003/19/Kreationisten zurück zum Text

[5] Siehe die Diskussion auf der Homepage von Wolf-Ekkehard Lönnig – URL:
http://www.weloennig.de/internetlibrary.html & http://www.weloennig.de/KutscheraVerbotsversuche.html zurück zum Text

 

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