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Der Rütli-Management-Simulator,
nur ein weiteres Unternehmensplanspiel?

von Joachim Paul

Inhalt:
Einleitung
Geschichte
Theoretischer Exkurs zu
Systembegriff, Kybernetik, Feedback und der Methode 'System Dynamics'

Software, Hardware, und ein Blick in den Simulator
Ablaufskizzen und Struktur eines Planspielseminars
Erfahrungen mit und Meinungen zum Rütli-Management-Simulator
Referenzen

Einleitung

Unternehmensplanspiele, ob papiergebunden oder DV-gestützt, gibt es wie Sand am Meer. Die qualitativ hochwertigen haben sich bewährt und sind aus der berufsbegleitenden Fortbildung nicht mehr wegzudenken (1).

Warum also hat sich der RÜTLI entschlossen, selbst mit hohem Aufwand ein Planspiel entwickeln zu lassen, anstatt auf vorhandene zurückzugreifen?

Offensichtlich ist wohl das Vorhaben, sich durch eine eigene Anwendung von der Konkurrenz abzusetzen und den 'Me too'-Effekt zu vermeiden.
Bei der Entwicklung des hier vorgestellten Rütli-Management-Simulators® (RMS) liegen jedoch auch wesentlich tiefere Gründe vor, denn:
Weitaus die meisten Planspiele werden auf der Basis eines ökonomischen Modells unter Zugrundelegung der sog. vollen Rationalität (full rationality) entworfen. Daß heißt, es wird stillschweigend angenommen, daß ein makroökonomisches System durch seine Kennzahlen eineindeutig beschreibbar und daß Systemverhalten daher vorhersagbar ist. Selbstredend ist dies in der ökonomischen Realität nicht gegeben. "Die bisher bekannten Planspiele reichten uns nicht", erläutert Dr. Frank Schreiner, Betriebswirt und Seminarleiter des Rütli, "wir wollten ein Instrument, das einerseits Komplexität erfahrbar macht und den spielerischen Umgang mit nichtlinearen Phänomenen in der Ökonomie ermöglicht und andererseits ohne Informatik-Diplom zu bedienen ist."

Geschichte

Auf der Suche nach geeigneten Methoden kam der Rütli über Umwege in Kontakt mit Prof. Dr. Pål Davidsen, der am Institut für Informatik der Universität Bergen in Norwegen den in den USA am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelten System-Dynamics-Simulationsansatz lehrt und sich in Forschungsarbeiten einen Namen im Anwendungsbereich 'Simulationen in der Ökonomie' gemacht hat.
Die ebenfalls in Bergen ansässige Firma ModelData AS hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die Entwicklungsumgebung Powersim® geschaffen, deren wesentliches Element graphische Editierfunktionen für System-Dynamics-Simulationen sind. Powersim® gewann 1994 den 'European Academy Award' in den Sparten 'Economics' und 'Information Sciences'!

Insgesamt 3 Mannjahre arbeiteten Magne Myrtveit (ModelData AS), Pål Davidsen und Mitarbeiter an der Entwicklung des RMS® auf der Basis von Powersim®. Was herauskam, sucht bis heute seinesgleichen, ein voll netzwerkfähiges Planspiel, das die Simulation von mehreren auf zwei Märkten miteinander konkurrierenden Unternehmen ermöglicht und mehr als 35.000 Rückkopplungsschleifen enthält. Feedback-Schleifen mit und ohne Zeitverzögerung produzieren nichtlineare Phänomene und sind wesentliche Bausteine des System-Dynamics-Ansatzes. Der RMS ist ausgestattet mit einer bestechend einfachen Benutzeroberfläche, die, übersichtlich unterteilt in 13 Entscheidungs- und 8 Beobachtungsfenster, die Variation von insgesamt 18 unternehmensrelevanten Parametern erlaubt.

RMS Fenster zur Bestimmung des Produktpreises

Das Fenster zur Festlegung des Produktpreises besitzt zwei Modi, zum einen kann ein Absolutpreis gesetzt werden, alternativ kann der Preis am Durchschnittspreis der Konkurrenz ausgerichtet werden.

Bei den Programmierarbeiten und diversen Testläufen des RMS® mit ausgesuchten Betatestern stellte sich heraus, daß die ausgewählten Eingabeparameter die Komplexität betriebswirtschaftlicher Entscheidungsprozesse hinreichend abbilden. Andererseits wird auch der 'zeitlich verdichteten Realität' in einer Planspielsituation Rechnung getragen. Seit nunmehr 3 Jahren wird der RMS in Seminaren mit verschiedenen inhaltlichen Schwerpunkten erfolgreich eingesetzt.

 

Theoretischer Exkurs
zu
Systembegriff, Kybernetik, Feedback und der Methode 'System Dynamics'

Im Blätterwald der Management-Bücher werden seit einigen Jahren Schlagworte wie Ganzheitlichkeit, systemisches Denken, System-Denken, vernetztes Denken, Komplexität, Nichtlinearität usw. sehr strapaziert. Jedoch in den seltensten Fällen wird eine genaue Definition dessen vorgenommen, was unter diesen Begrifflichkeiten eigentlich zu verstehen ist.
Auch im Hinblick auf die Entstehung der dem RMS® zugrundeliegenden System-Dynamics Methode soll an dieser Stelle der Versuch unternommen werden, etwas Ordnung in das Wirrwahr zu bringen.

Aus Physik und Chemie sind wir gewöhnt, uns über den Begriff 'System' nur wenig oder gar keine Gedanken zu machen (2). 'Offene' und 'geschlossene' Systeme werden allenfalls in der Thermodynamik abgehandelt und dort im allgemeinen als geometrische Abgrenzungen verstanden, d.h., die Systeme werden durch einen Raumbereich definiert. Die Unterscheidung zwischen 'offen' und 'geschlossen' bezieht sich hier darauf, ob Materie oder Energie, die dieser Raumbereich enthält, in ihm verbleibt oder nicht. Unglücklicherweise floß diese rein räumlich-geometrische Auffassung als Methapher in viele andere Wissenschaften ein, so daß selbst ein renommiertes Physiklexikon den Versuch einer allgemeineren Definition unternimmt:

"Ein System ist Teil der objektiven Realität, der von seiner Umwelt abgegrenzt betrachtet wird, indem nur wesentliche Wechselwirkungen mit ihr betrachtet werden, von unwesentlichen aber abgesehen wird.
Alle konkreten Systeme mit gleicher Verhaltensweise definieren ein abstraktes oder kybernetisches System.
Die Abgrenzung des Systems ist allerdings stets ein Eingriff in die dialektische Einheit des Universums und führt zwangsläufig zu einem Verlust an Information.
Die nicht als wesentlich ausgewählten Beziehungen zur Umwelt treten als Zufallserscheinungen auf." (3)

Eine gewisse Willkür bei der Definition des Begriffs 'System' ist hier nicht von der Hand zu weisen. Dies geht auch aus dem ursprünglichen Wortstamm hervor, der eine menschliche Tätigkeit bezeichnet: System ist aus dem altgriechischen 'syn-histanai', gleichbedeutend mit 'zusammenstellen, zusammenfügen', abgeleitet.
Die Kernfrage lautet also: Wie läßt sich ein angemessener Systembegriff einführen, der eine im geschäftlichen Sinn erfolgreiche (formale) Beschreibung erlaubt, die letztendlich zur Abbildung von Organisationsmodellen in einen Simulator führen kann?
Ludwig von Bertalanffy definierte 1945 das Ziel, die praktikable Beschreibung lebender, sozialer, ökonomischer und biologisch-ökologischer Systeme: "Allgemeine Systemtheorie ist ein logisch-mathematisches Feld, dessen Aufgabe die Formulierung und Ableitung genereller Prinzipien ist, die auf 'Systeme' allgemein anwendbar sind."
Insbesondere finanziell gefördert durch die strategische Aufarbeitung der militärischen Geschehnisse während des zweiten Weltkriegs entstanden gegen Ende der vierziger Jahre in den USA verschiedene interdisziplinäre Forschergruppen, die sich speziell mit Rückkopplungsphänomenen in ökonomischen, sozialen, biologischen und physikalisch-chemischen Systemen auseinandersetzten.

1. Kybernetik
Initiiert durch Warren S. McCulloch (4), Norbert Wiener (5), Heinz von Foerster (6) und andere wurde in ihr ein Beschreibungskonzept für operationell geschlossene, energetisch offene Systeme entwickelt, das später, - neben der Kognitionsforschung -, Eingang in viele Bereiche fand.
Insbesondere in der Managementlehre erfährt die Kybernetik zur Zeit eine Renaissance, hervorgerufen durch Stafford Beer (7,8), Dirk Baecker (9) und besonders durch Paul Watzlawick (10).

2. System Dynamics
Der System-Dynamics Ansatz geht zurück auf Ökonomen, A. W. Phillips, Richard M. Goodwin und andere, die im 'Servomechanisms'-Gebiet der Ingenieurwissenschaften gewonnene Erkenntnisse auf ökonomische Systeme anwendeten (11).
Der große Durchbruch gelang 1958, als Jay W. Forrester eine auf dem Konzept des Feedback basierende Computersimulation eines ökonomischen Modells schuf (12). Berühmt wurde sein Ansatz durch die später vom Club of Rome in Auftrag gegebene Weltsimulation, deren Ergebnisse in Buchform zum Bestseller wurden (13). Hierdurch gelangte die Existenz von Rückkopplungsschleifen in komplexen Systemen überhaupt erst ins allgemeine Bewußtsein.

Forrester's Weltmodell ist gemessen an der Berühmtheit der größere, gemessen am Komplexitätsgrad der kleinere Bruder des RMS®.

Forresters Weltmodell

Die Kreise im Graphen repräsentieren Systemvariable, Konstanten werden durch Rhomben symbolisiert. Funktionale Zusammenhänge sind durch die Verbindungs linien dargestellt. Die Rechtecke stellen Systemvariable dar, die während eines Simulationslaufs in ein sich automatisch reskalierendes graphisches Ausgabefenster geschrieben werden. Das Fenster 'P' zum Beispiel steht für 'Population' und gibt die Weltbevölkerungszahl als Funktion der Zeit aus. 'NR' bezeichnet die natürlichen Ressourcen, und 'POL' und 'CIAF' stehen für Umweltverschmutzung und Lebensqualität. 'CI' stellt die zeitliche Dynamik der Investitionen dar.

Zur Zeit erfährt auch die System-Dynamics Methode eine Renaissance durch den Forrester-Mitarbeiter Peter M. Senge, dessen Bestseller 'The Fifth Discipline - The Art and Practice of the Learning Organization' glücklicherweise gerade auf deutsch neu aufgelegt wurde (14). Senge prägte den Begriff 'Lernende Organisation' und schließt hiermit, unwissentlich -, an die Tradition der Kybernetiker wie Stafford Beer an, für die der Aspekt des Lernens in Gruppen seit Beginn im Vordergrund stand. Die heute häufig benutzte Metapher 'Das Unternehmen als Organismus', der eigene Kognitionen haben können soll, stammt aus der kybernetischen Denkrichtung und ihren Forschungsergebnissen im Kontext der Biologie.

Was versteht man unter Feedback, bzw. Rückkopplung?
Kausal-Schleife
Das linke Diagramm zeigt ein einfaches Beispiel einer Rückkopplungsschleife. Die Umweltbelastung (Pollution) hat einen positiven, d.h. steigernden Einfluß auf die Absorption der Umweltgifte, erhöht also das Absorptionsniveau. Ein höheres Absorptionsniveau widerum senkt den Absolutwert der Umweltbelastung. Eine solche Schleife wird als negative Rückkopplung bezeichnet (Symbol: Balkenwaage). Andererseits vergrößert die Umweltbelastung die mittlere Absorptionszeit. (Poll. Absorption Time). Dies wird als positive Rückkopplung bezeichnet (Symbol: rollende Kugel). Die größere Absorptionszeit ihrerseits senkt das Niveau der Absorption ab. Negative Rückkopplungen können zu stabilen Endzuständen führen, positive nie.
Allgemein versteht man unter einem Feedback die positive oder negative Rückwirkung einer Größe auf sich selbst.
System-Dynamics verwendet Kausalschleifen in der Art des obigen Diagramms, um Mehrfachzusammenhänge erst einmal zu visualisieren, bevor die mathematische Modellierung, die Formalisierung und Programmierung in Angriff genommen wird.
Mathematisch-physikalisch gesehen stellt System-Dynamics eine Visualisierungs- und Simulationsmethode für komplizierte gekoppelte Differentialgleichungssysteme dar, die sich auch hervorragend als pädagogisches Instrument zur Vermittlung komplexer Zusammenhänge eignet.
Unter anderem basiert das Strategiespiel SimCity® von Microprose auf System Dynamics.

Unglücklicherweise wird die Methode in Deutschland nur an vereinzelten Universitätslehrstühlen angewandt. "Dies muß wohl auf die 'not-invented-here'-Mentalität zurückzuführen sein", bemerkt hierzu Frank Schreiner vom Rütli.

Software, Hardware, und ein Blick in den Simulator

Der RMS® kann auf Client-Server- oder Peer-to-Peer-Netzwerken unter Windows (Novell, 3.11, 95, NT) eingesetzt werden. Am Rütli wird ein Novell-PC-Netzwerk mit Windows 3.11 und dem Powersim-Programm als Benutzeroberfläche verwendet. In der Vierplatzversion werden ein Netzwerk-Server und fünf Clients benötigt. Die Simulationsprogramme von vier miteinander konkurrierenden Unternehmen laufen lokal auf vier Clients ab und interagieren mit dem Simulator der Märkte auf dem Server. Der fünfte Client ermöglicht über besondere Zugangsrechte dem Planspielleiter die Supervision des Simulationsablaufs. Zusätzlich kann auf jedem Einzelplatz lokal gegen den Computer simuliert werden.

Mit nichlinearem Vehalten ist hier grundsätzlich gemeint, daß eine gleiche Eingabe in den Simulator zu verschiedenen Zeitpunkten ein unterschiedliches Systemverhalten zur Folge haben kann. Im von Foerster'schen Sinn stellt der RMS® einen nichttrivialen Automaten dar, dessen aktuelles Verhalten von der aktuellen Eingabe und der aktuellen internen Zustandskomposition abhängig ist. Er repräsentiert somit ein System mit (Unternehmens-) Geschichtsabhängigkeit. Die Häufigkeit nichtlinearer Phänomene nimmt naturgemäß erheblich zu, wenn gegen menschliche Partner simuliert wird.

Eine Simulation erfordert zwangsläufig Vereinfachungen im Modell gegenüber der Realität. Der RMS® bildet eine Produktionsökonomie von bis zu vier miteinander konkurrierenden Unternehmen ab, die alle ein Produkt herstellen, daß über vier Zwischenhändler auf einem Hochpreis-, bzw. Spezialitätenmarkt und einem Massenmarkt abgesetzt wird. Die Unternehmen besitzen die Kapital-Funktionalitäten einer AG, d.h. es wird Fremdkapital aus einem Kapitalmarkt aufgenommen, und Dividenden werden an die Aktionäre ausgeschüttet.
Folgende grundsätzliche Vereinfachungen wurden vorgenommen:
1. Von den Teilnehmern gefällte Entscheidungen gelten jeweils für ein Jahr. Simuliert wird nach der Euler-fixed-step-Methode in Zeitschritten von 0.02 Jahren.
2. Als Konstante wird vorausgesetzt, daß Rohstoffe unbegrenzt verfügbar sind; sie werden über einen Lieferanten zu einem Festpreis an die Unternehmen weitergeleitet.
3. Arbeitskräfte sind auf dem Arbeitsmarkt unbegrenzt verfügbar. (Dies entspricht, - leider -, fast der Realität.)
4. Der Arbeitsjahreslohn für ausgebildete Fachkräfte und für nicht ausgebildete Arbeitskräfte wurde aufgrund realistischer Erfahrungswerte auf 60.000, bzw. 40.000 Währungseinheiten voreingestellt, kann aber jederzeit vom Spielleiter nach den Wünschen der Teilnehmer variiert werden. Dasselbe gilt für die Kündigungsfristen (Voreinstellung zw. einem und sechs Monaten.)
5. Die Elastizität, bzw. Aufnahmekapazität des Marktes kann vor Simulationsbeginn durch den Planspielleiter festgelegt werden. Hierdurch ergibt sich die Möglichkeit, vorab stufenlos zwischen den Extremen 'reiner Wachstumsmarkt' und 'reiner Verdrängungsmarkt' zu variieren.

Als Besonderheit bietet der RMS® die Möglichkeit, inkrementale Innovation zu simulieren. Zwar ist die Definition neuer Produkte nicht möglich, die Planspielteilnehmer können aber auf die Lebensdauer und die Funktionalität ihres Produktes Einfluß nehmen. Neben einem Markt reiner Verbrauchsartikel kann also auch ein Markt technischer Produkte, wie z.B. Handy's, Unterhaltungselektronik, Computer, Fotokopierer usw. simuliert werden.

Die Abbildung zeigt einen kleinen Auschnitt aus den Regelkreisen und Feedbackschleifen der Sektionen 'Produktionsmaschinen' (links) und 'Preis' (rechts) eines der Unternehmen.

Blick in die Simulatorstruktur

Ablaufskizzen und Struktur eines Planspielseminars

Der RMS® wird unter mehreren verschiedenen Gesichtspunkten im Seminar eingesetzt. Zum einen wird der Schwerpunkt auf die Vermittlung und Einübung des Umgangs mit Systemen mit hoch-nichtlinearem Antwortverhalten gelegt.
Für Ingenieure und technisch ausgerichtete Führungskräfte kann das Training betriebswirtschaftlicher Zusammenhänge im Vordergrund stehen; Betriebswirten und kaufmännischen Führungskräften wird das Denken in systemischen, komplexen Wirkzusammenhängen nähergebracht.

Desweiteren wird der Simulator, - nach einer kurzen Einführung in Bedienung und Möglichkeiten -, als Instrument eingesetzt, um Gruppenverhalten und Teamorientierung einzuüben. Hierbei ist besonders hervorzuheben, daß die Teammitglieder aufgrund ihrer individuellen Erfahrungs- und Ausbildungshintergründe zur Kooperation miteinander angehalten sind, um in einem Simulationslauf erfolgreich zu sein. Supervision und Anleitung zur Reflektion der Gruppenprozesse erfolgt durch einen Psychologen. Selbstverständlich ist auch eine Kombination aus beiden Seminarschwerpunkten möglich.

Struktur eines Simulationslaufs

Das Schaubild verdeutlicht, daß nicht eigentlich der Simulator, sondern die Simulation selbst, d.h. mit menschlichen Teilnehmern, ein mehrfach operationell geschlossenes kybernetisches System repräsentiert. Das System wird erst dann komplex, wenn die kybernetische Lernschleife 'Menschen-Computer-Menschen' zu wirken beginnt.
In einer RMS-Simulation wird der Umgang mit Komplexität und Nichtlinearität also auf zwei Ebenen gelernt: in der Feedback-Schleife zwischen Mensch und Simulator und in den gruppeninternen Feedbackschleifen.

Der Ablauf eines typischen RMS-Seminars am Rütli sieht grob wie folgt aus, kann aber den Kundenwünschen entsprechend flexibel modifiziert werden:

Zu Beginn steht ein Seminarblock zur Einführung in System-Denken, kybernetische Zusammenhänge und Strukturen aus verschiedenen Gebieten eher allgemeinen Interesses, um den Teilnehmern mit Hilfe von griffigen Beispielen ein langsames Herantasten an den Themenkomplex zu ermöglichen. Die Teilnehmer bauen unter Anleitung zur Einübung selbst Kausalschleifen und kleine Beschreibungsmodelle auf Papier. Anschließend erfolgt eine Verdichtung des Erlernten mit betriebswirtschaftlichem Inhaltsschwerpunkt.

Eine Einführung in Gruppendynamik und Gruppenverhalten mit kleinen Übungen bildet den nächsten Seminarblock, in dem sich auch die nachher gegeneinander spielenden Simulationsteams finden. Im Anschluß werden die Teilnehmer zunächst über eine Vorführung und die Erläuterung der graphischen Benutzeroberfläche an den Simulator herangeführt, um dann in den Einzelteams einen Simulationslauf gegen den Computer durchzuführen, dessen Ergebnisse anschließend analysiert und diskutiert werden.

In der Folge werden drei bis vier Simulationsläufe durchgeführt, in denen die Teams gegeneinander spielen, ergänzt durch Supervisionen zur Gruppendynamik. Die Simulationsläufe, bzw. Spielrunden können mit unterschiedlichen Vorgaben geschehen. Spielziel kann z.B. sein, nach zehn Spielperioden (Jahren) das Unternehmen mit dem größten Marktwert zu besitzen, aber auch die Marktführerschaft oder ein Maximum an Liquidität kann Spielziel sein.

Besonderes Augenmerk wird am Rütli darauf gelegt, daß die Simulationsteams nach den Erfahrungen mit dem ersten Simulationslauf richtige Unternehmensstrategien entwerfen, die dann jeweils in der folgenden Simulation umgesetzt werden können. Hierzu simulieren Dozenten des Rütli eine Unternehmensberatung, die auf Wunsch von den Seminarteilnehmern in Anspruch genommen werden kann. Nach dem letzten Simulationslauf erfogt eine allgemeine Auswertung im Seminarplenum, in dem die einzelnen Teams ihre Strategien vorstellen und bewerten. Jedes Seminar wird abgeschlossen durch eine Aussprache zwischen den Teilnehmern und den Dozenten des Rütli.

 

Erfahrungen mit und Meinungen zum Rütli-Management-Simulator

Stellvertretend für viele hier vier Meinungen von Seminarteilnehmern zum RMS®:

"Für mich als technisch ausgerichtete Führungskraft bietet dieser Management-Flugsimulator einen schnelleren und effizienteren Zugang zu betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen als das Durcharbeiten eines trockenen BWL-Buches", bemerkte unlängst ein leitender Ingenieur der MAN AG nach Teilnahme an einem einwöchigen RMS-Seminar.

"Als Betriebswirt war für mich besonders die Strategierevision nach jedem Simulationslauf bereichernd und hat mir neue Einsichten in marktorientierte Entscheidungsfindung gebracht."

"Genossen habe ich vor allen Dingen den Austausch und die Zusammenarbeit im Team mit Ingenieuren", so ein Kaufmann der MAN AG.

"Der Simulator ist nur ein Spiel, mit diesem Anspruch kam ich an den Rütli. In der Rückschau kann ich sagen, daß nach jedem Simulationslauf die Realität ein Stückchen weiter in den Hintergrund trat, und der Simulator für mich zur Realität wurde. Ich habe im letzten Simulationslauf mit meinen Teamkollegen gekämpft, als wäre es unser eigenes Unternehmen", bemerkte ein Ingenieur und Leiter einer FuE-Abteilung.

Dem ist nichts hinzuzufügen; dennoch: seit kurzem läuft ein vielversprechendes Projekt, daß den RMS® auf das Kennzahlensystem eines Unternehmens aus der Textilbranche anpaßt. Sollte dies Erfolg haben, so wird man den RMS® an eine Datenbank anbinden, mit dem Ziel, eine Kombination mit einem Management-Informationssystem zu schaffen.

 

Referenzen

(1) Graf, Jürgen, (Hrsg.), Planspiele - simulierte Realitäten für den Chef von morgen, GABAL, Speyer 1992
(2) von Goldammer, Eberhard; Paul, Joachim; Autonomie in Biologie und Technik, Kognitive Netzwerke - Artificial Life - Robotik, Selbstorganisation, Jahrbuch für Komplexität in den Natur-, Sozial und Geisteswissenschaften, Band 6, Realitäten und Rationalitäten, Kaehr, Rudolf; Ziemke, Axel (Hrsg.), Duncker & Humblot, Berlin 1995
(3) Fachlexikon Physik, Harri Deutsch Verlag, Leipzig 1982
(4) McCulloch, Warren S.; Embodiments of Mind, M.I.T. Press, Cambridge, Mass.1965
(5) Wiener, Norbert; Cybernetics: or Control and Communication in the Animal and the Machine, M.I.T. Press, Cambridge, Mass. 1948
(6) von Foerster, Heinz; Principles of Self-Organization - In a Socio-Managerial Context; in: Self-Organization and Management of Social Systems; H. Ulrich and G.J.B. Probst (Hrsg.), Springer Berlin, 1984
(7) Beer, Stafford; Brain of the Firm - The Managerial Cybernetics of Organization, John Wiley & Sons Ltd, 1981
(8) Beer, Stafford; Decision and Control - The Meaning of Operational Research and Management Cybernetics; John Wiley & Sons, 1966
(9) Baecker, Dirk; Die Form des Unternehmens; Suhrkamp 1993
(10) Spontaneität die Chance zur Entfaltung geben, Karierre-Gespräch mit Paul Watzlawick, Handelsblatt 23.2.96
(11) Richardson, George P.; FEEDBACK THOUGHT in Social Science and Systems Theory, University of Pennsylvania Press, Philadelphia 1991
(12) Forrester, J.W.; Industrial Dynamics, M.I.T. Press, Cambridge 1961
(13) Meadows, D.; Meadows, D,; Zahn, E.; Milling, P.; Die Grenzen des Wachstums, rororo 1973
(14) Senge, P.M.; Die fünfte Disziplin, Klett-Cotta, Stuttgart 1996