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Der
Rütli-Management-Simulator,
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EinleitungUnternehmensplanspiele, ob papiergebunden oder DV-gestützt, gibt es wie Sand am Meer. Die qualitativ hochwertigen haben sich bewährt und sind aus der berufsbegleitenden Fortbildung nicht mehr wegzudenken (1). Warum also hat sich der RÜTLI entschlossen, selbst mit hohem Aufwand ein Planspiel entwickeln zu lassen, anstatt auf vorhandene zurückzugreifen? Offensichtlich ist wohl das Vorhaben,
sich durch eine eigene Anwendung von der Konkurrenz abzusetzen und den 'Me too'-Effekt zu
vermeiden. |
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GeschichteAuf der Suche
nach geeigneten Methoden kam der Rütli über Umwege in Kontakt mit Prof. Dr. Pål
Davidsen, der am Institut für Informatik der Universität Bergen in Norwegen den in den
USA am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelten
System-Dynamics-Simulationsansatz lehrt und sich in Forschungsarbeiten einen Namen im
Anwendungsbereich 'Simulationen in der Ökonomie' gemacht hat. Insgesamt 3 Mannjahre arbeiteten Magne Myrtveit (ModelData AS), Pål Davidsen und Mitarbeiter an der Entwicklung des RMS® auf der Basis von Powersim®. Was herauskam, sucht bis heute seinesgleichen, ein voll netzwerkfähiges Planspiel, das die Simulation von mehreren auf zwei Märkten miteinander konkurrierenden Unternehmen ermöglicht und mehr als 35.000 Rückkopplungsschleifen enthält. Feedback-Schleifen mit und ohne Zeitverzögerung produzieren nichtlineare Phänomene und sind wesentliche Bausteine des System-Dynamics-Ansatzes. Der RMS ist ausgestattet mit einer bestechend einfachen Benutzeroberfläche, die, übersichtlich unterteilt in 13 Entscheidungs- und 8 Beobachtungsfenster, die Variation von insgesamt 18 unternehmensrelevanten Parametern erlaubt. |
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Das Fenster zur Festlegung des Produktpreises besitzt zwei Modi, zum einen kann ein Absolutpreis gesetzt werden, alternativ kann der Preis am Durchschnittspreis der Konkurrenz ausgerichtet werden. |
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Bei den Programmierarbeiten und diversen Testläufen des RMS® mit ausgesuchten Betatestern stellte sich heraus, daß die ausgewählten Eingabeparameter die Komplexität betriebswirtschaftlicher Entscheidungsprozesse hinreichend abbilden. Andererseits wird auch der 'zeitlich verdichteten Realität' in einer Planspielsituation Rechnung getragen. Seit nunmehr 3 Jahren wird der RMS in Seminaren mit verschiedenen inhaltlichen Schwerpunkten erfolgreich eingesetzt.
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Theoretischer Exkurs
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Software, Hardware, und ein Blick in den SimulatorDer RMS® kann auf Client-Server- oder Peer-to-Peer-Netzwerken unter Windows (Novell, 3.11, 95, NT) eingesetzt werden. Am Rütli wird ein Novell-PC-Netzwerk mit Windows 3.11 und dem Powersim-Programm als Benutzeroberfläche verwendet. In der Vierplatzversion werden ein Netzwerk-Server und fünf Clients benötigt. Die Simulationsprogramme von vier miteinander konkurrierenden Unternehmen laufen lokal auf vier Clients ab und interagieren mit dem Simulator der Märkte auf dem Server. Der fünfte Client ermöglicht über besondere Zugangsrechte dem Planspielleiter die Supervision des Simulationsablaufs. Zusätzlich kann auf jedem Einzelplatz lokal gegen den Computer simuliert werden. Mit nichlinearem Vehalten ist hier grundsätzlich gemeint, daß eine gleiche Eingabe in den Simulator zu verschiedenen Zeitpunkten ein unterschiedliches Systemverhalten zur Folge haben kann. Im von Foerster'schen Sinn stellt der RMS® einen nichttrivialen Automaten dar, dessen aktuelles Verhalten von der aktuellen Eingabe und der aktuellen internen Zustandskomposition abhängig ist. Er repräsentiert somit ein System mit (Unternehmens-) Geschichtsabhängigkeit. Die Häufigkeit nichtlinearer Phänomene nimmt naturgemäß erheblich zu, wenn gegen menschliche Partner simuliert wird. Eine Simulation erfordert zwangsläufig
Vereinfachungen im Modell gegenüber der Realität. Der RMS® bildet eine
Produktionsökonomie von bis zu vier miteinander konkurrierenden Unternehmen ab, die alle
ein Produkt herstellen, daß über vier Zwischenhändler auf einem Hochpreis-, bzw.
Spezialitätenmarkt und einem Massenmarkt abgesetzt wird. Die Unternehmen besitzen die
Kapital-Funktionalitäten einer AG, d.h. es wird Fremdkapital aus einem Kapitalmarkt
aufgenommen, und Dividenden werden an die Aktionäre ausgeschüttet. Als Besonderheit bietet der RMS® die Möglichkeit, inkrementale Innovation zu simulieren. Zwar ist die Definition neuer Produkte nicht möglich, die Planspielteilnehmer können aber auf die Lebensdauer und die Funktionalität ihres Produktes Einfluß nehmen. Neben einem Markt reiner Verbrauchsartikel kann also auch ein Markt technischer Produkte, wie z.B. Handy's, Unterhaltungselektronik, Computer, Fotokopierer usw. simuliert werden. |
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Die Abbildung zeigt einen kleinen Auschnitt aus den Regelkreisen und Feedbackschleifen der Sektionen 'Produktionsmaschinen' (links) und 'Preis' (rechts) eines der Unternehmen. |
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Ablaufskizzen und Struktur eines PlanspielseminarsDer RMS® wird unter
mehreren verschiedenen Gesichtspunkten im Seminar eingesetzt. Zum einen wird der
Schwerpunkt auf die Vermittlung und Einübung des Umgangs mit Systemen mit
hoch-nichtlinearem Antwortverhalten gelegt. Desweiteren wird der Simulator, - nach einer kurzen Einführung in Bedienung und Möglichkeiten -, als Instrument eingesetzt, um Gruppenverhalten und Teamorientierung einzuüben. Hierbei ist besonders hervorzuheben, daß die Teammitglieder aufgrund ihrer individuellen Erfahrungs- und Ausbildungshintergründe zur Kooperation miteinander angehalten sind, um in einem Simulationslauf erfolgreich zu sein. Supervision und Anleitung zur Reflektion der Gruppenprozesse erfolgt durch einen Psychologen. Selbstverständlich ist auch eine Kombination aus beiden Seminarschwerpunkten möglich. |
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Das Schaubild verdeutlicht, daß nicht
eigentlich der Simulator, sondern die Simulation selbst, d.h. mit menschlichen
Teilnehmern, ein mehrfach operationell geschlossenes kybernetisches System repräsentiert.
Das System wird erst dann komplex, wenn die kybernetische Lernschleife
'Menschen-Computer-Menschen' zu wirken beginnt. Der Ablauf eines typischen RMS-Seminars am Rütli sieht grob wie folgt aus, kann aber den Kundenwünschen entsprechend flexibel modifiziert werden: Zu Beginn steht ein Seminarblock zur Einführung in System-Denken, kybernetische Zusammenhänge und Strukturen aus verschiedenen Gebieten eher allgemeinen Interesses, um den Teilnehmern mit Hilfe von griffigen Beispielen ein langsames Herantasten an den Themenkomplex zu ermöglichen. Die Teilnehmer bauen unter Anleitung zur Einübung selbst Kausalschleifen und kleine Beschreibungsmodelle auf Papier. Anschließend erfolgt eine Verdichtung des Erlernten mit betriebswirtschaftlichem Inhaltsschwerpunkt. Eine Einführung in Gruppendynamik und Gruppenverhalten mit kleinen Übungen bildet den nächsten Seminarblock, in dem sich auch die nachher gegeneinander spielenden Simulationsteams finden. Im Anschluß werden die Teilnehmer zunächst über eine Vorführung und die Erläuterung der graphischen Benutzeroberfläche an den Simulator herangeführt, um dann in den Einzelteams einen Simulationslauf gegen den Computer durchzuführen, dessen Ergebnisse anschließend analysiert und diskutiert werden. In der Folge werden drei bis vier Simulationsläufe durchgeführt, in denen die Teams gegeneinander spielen, ergänzt durch Supervisionen zur Gruppendynamik. Die Simulationsläufe, bzw. Spielrunden können mit unterschiedlichen Vorgaben geschehen. Spielziel kann z.B. sein, nach zehn Spielperioden (Jahren) das Unternehmen mit dem größten Marktwert zu besitzen, aber auch die Marktführerschaft oder ein Maximum an Liquidität kann Spielziel sein. Besonderes Augenmerk wird am Rütli darauf gelegt, daß die Simulationsteams nach den Erfahrungen mit dem ersten Simulationslauf richtige Unternehmensstrategien entwerfen, die dann jeweils in der folgenden Simulation umgesetzt werden können. Hierzu simulieren Dozenten des Rütli eine Unternehmensberatung, die auf Wunsch von den Seminarteilnehmern in Anspruch genommen werden kann. Nach dem letzten Simulationslauf erfogt eine allgemeine Auswertung im Seminarplenum, in dem die einzelnen Teams ihre Strategien vorstellen und bewerten. Jedes Seminar wird abgeschlossen durch eine Aussprache zwischen den Teilnehmern und den Dozenten des Rütli.
Erfahrungen mit und Meinungen zum Rütli-Management-SimulatorStellvertretend für viele hier vier Meinungen von Seminarteilnehmern zum RMS®: "Für mich als technisch ausgerichtete Führungskraft bietet dieser Management-Flugsimulator einen schnelleren und effizienteren Zugang zu betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen als das Durcharbeiten eines trockenen BWL-Buches", bemerkte unlängst ein leitender Ingenieur der MAN AG nach Teilnahme an einem einwöchigen RMS-Seminar. "Als Betriebswirt war für mich besonders die Strategierevision nach jedem Simulationslauf bereichernd und hat mir neue Einsichten in marktorientierte Entscheidungsfindung gebracht." "Genossen habe ich vor allen Dingen den Austausch und die Zusammenarbeit im Team mit Ingenieuren", so ein Kaufmann der MAN AG. "Der Simulator ist nur ein Spiel, mit diesem Anspruch kam ich an den Rütli. In der Rückschau kann ich sagen, daß nach jedem Simulationslauf die Realität ein Stückchen weiter in den Hintergrund trat, und der Simulator für mich zur Realität wurde. Ich habe im letzten Simulationslauf mit meinen Teamkollegen gekämpft, als wäre es unser eigenes Unternehmen", bemerkte ein Ingenieur und Leiter einer FuE-Abteilung. Dem ist nichts hinzuzufügen; dennoch: seit kurzem läuft ein vielversprechendes Projekt, daß den RMS® auf das Kennzahlensystem eines Unternehmens aus der Textilbranche anpaßt. Sollte dies Erfolg haben, so wird man den RMS® an eine Datenbank anbinden, mit dem Ziel, eine Kombination mit einem Management-Informationssystem zu schaffen.
Referenzen(1)
Graf, Jürgen, (Hrsg.), Planspiele - simulierte Realitäten für den Chef von morgen,
GABAL, Speyer 1992
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