IM KONTEXT:
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GÜNTHER - 2000Zu Gotthard Günther's 100-stem GeburtstagTeil 2: Zum Thema von Eberhard von Goldammer Die Unterscheidung zwischen Positiv- und Negativsprache ist in einer mono-kontexturalen wissenschaftlichen Rationalität ohne Bedeutung, um nicht zu sagen -sie ist dort sinnlos. Eine mono-kontexturale Sicht der Welt kennt keine Negativsprache, und damit ist auch der Begriff der ´Positivsprache´ ohne Bedeutung. Beide Begriffe verhalten sich komplementär zueinander, so wie rechts und links, oder wie oben und unten usw. Kurz, der eine Begriff macht ohne den anderen keinen Sinn. In einer mono-kontexturalen wissenschaftlichen Rationalität gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder es ist etwas, oder es ist nichts. Wenn wir also eine klassische Maschine bauen, dann befindet sich diese in einem bestimmten Zustand, oder sie befindet sich nicht in diesem Zustand - ein Drittes gibt es nicht. Dies gilt selbstverständlich auch für alle physikalisch-chemischen Systeme, ebenso wie für den uns heute bekannten Computer [1]. Hier handelt es sich jeweils um eine zweiwertige Situation, aus der man auch nicht herauskommt, denn in dem Moment, wo ein System physisch konstituiert wird - durch Konstruktion oder durch ein Experiment - hat dieses System so etwas wie eine "isolierte Existenz". Dieses System ist dann über zwei ontologische Positionen distribuiert, die mit bestimmten Prädikaten entweder besetzt (designiert) oder nicht besetzt (nicht designiert) sind. Das System oder die Maschine ist im Rahmen einer mono-kontexturalen Logik eindeutig definiert. Daran ändert übrigens auch die Einführung von Wahrscheinlichkeitslogiken wie z.B. der Fuzzy-Logik nichts, denn wenn etwas unscharf ist, so ist es doch Etwas, wenn auch etwas Unscharfes und nicht Nichts. Sein oder Nicht-Sein, das ist der entscheidende Punkt, um den es geht! Dem Sein [2] als Objekt steht als Negation das Nicht-Sein oder das Nichts gegenüber. In der klassischen Naturwissenschaft ist das Subjekt sozusagen im Nichts verschwunden und dort ist es auch [3]. Das Denken des Subjekts richtet sich nur auf das Sein, dem es unmittelbar gegenübersteht, nicht jedoch auf das Verhältnis von Subjekt und Objekt. Wenn sich vom Standpunkt der Logik aus gesehen Sein und Nichts gegenüberstehen, so ist das Nichts nur der indirekte Ausdruck für das Subjekt, das in der Reflexion auf das Sein die Freiheit hat zu entscheiden, ob etwas "ist" oder "nicht ist". In diesem Negativen wird das Subjekt aber nicht als Subjekt gedacht, das denkende Subjekt tritt im Bilde, das es sich vom Seienden macht, nicht auf. Die klassische Logik kodifiziert sozusagen das Verhältnis von Subjekt und Objekt in einer Weise, in der für das Subjekt selbst kein Platz ist. Wenn sich das Denken jedoch auf das Verhältnis von Subjekt und Objekt beziehen soll, so muß es (nämlich das Denken) seine Begriffe reflektieren. Dazu müssen sich jedoch auch die Begriffe bei dem Prozess der Reflexion selbst verändern. Aber genau das ist durch den Satz der Identität gerade ausgeschlossen. "Sein ist - so lehrt uns die klassische Tradition - absolute Identität der Existenz mit sich selbst. Sie ist das absolute Ausgeschlossensein des Anderen (...). So ist es das Wesen des Seins, nur Beziehung auf sich selbst und zu sich selbst zu haben. Reflexion aber ist das Verhältnis des Bildes zum Abgebildeten."[4] Auf der anderen Seite schließt das Tertium Non Datur (TND) neben dem Sein und dem Nichts jedes Dritte aus. Es schließt damit natürlich auch jede Subjektivität aus dem Denken aus. Mit anderen Worten, im Sprachrahmen einer mono-kontexturalen Logikkonzeption ist es nicht möglich, mentale Prozesse - wie das Denken - widerspruchsfrei formal zu thematisieren. "Mono" bedeutet hierbei, daß die Logik nur ein Thema kennt, nämlich die Welt als Nicht-Ich vom Beobachter aus, bzw. als Sein, welches das Subjekt aus sich ausschließt. Das Subjekt dokumentiert sich nur in den Negationen, d.h. im Prozeß der Reflexion. Der Prozeß der Reflexion selbst, in dem sich das Subjekt zeigt, wird jedoch in einer mono-kontexturalen Logik nicht abgebildet - das geht prinzipiell nicht. Natürlich kann über ein Subjekt in dieser Logik gedacht werden, aber immer nur in der "Form des Objekts", also nur über ein Pseudosubjekt mit den dabei auftretenden bekannten Antinomien und Ambiguitäten. Daraus ergibt sich die grundlegende Dichotomie einer mono-kontexturalen Logik, die in verschiedenen Weisen die unterschiedlichsten Aspekte des Grundverhältnisses ausdrückt.
Das letzte Begriffspaar drückt aus, daß durch den designativen Wert das Thema (positivsprachlich) festgelegt wird, also Sein, der nicht designative Wert ist frei, um dieses zu wiederholen, also überhaupt erste Operationen in einer (jetzt allerdings negativsprachlichen) Logikkonzeption zuzulassen. Alle psychischen, d.h. nicht-physischen, Prozesse lassen sich nur im Rahmen einer poly-kontexturalen Logikkonzeption widerspruchsfrei formal thematisieren. Auf diesen Sachverhalt verweist Gotthard Günther in allen seinen Arbeiten sehr ausführlich. Anders gewendet bedeutet dies, daß mit der von Gotthard Günther und in der Folgezeit von Rudolf Kaehr entwickelten Polykontexturalitätstheorie die Grundlage für eine Negativsprache gelegt wurde. Diese stellt sozusagen eine Erweiterung der positiv-sprachlichen (natur-)wissenschaften Rationalität dar. Erst damit eröffnet sich die Möglichkeit, eine Theorie der Subjektivität, des Denkens, oder eine Theorie des Bewußtseins zu entwickeln. Gerade die Suche nach einer Theorie des Bewußtseins liegt heute im wissenschaftlichen Trend. Es ist jedoch ein fundamentaler Irrtum zu glauben, man könne Prozesse wie ´Bewußtsein´ im Sprachrahmen der klassischen Naturwissenschaften entwickeln, wie dies heute immer noch versucht wird [5]. Erstaunlicherweise werden nicht nur Günther´s Arbeiten auf diesem Gebiet von den Autoren, die sich als die "Päpste" im Mainstream der modernen ´Bewußtseins-Forscher´ gerieren nicht zitiert (vermutlich wurden sie auch nie gelesen) sondern auch die Arbeiten des Psychologen Julian Jaynes [6] und anderer. Letzterer analysiert sehr scharf die struturelle Problematik bei der Beschreibung dessen, was als Bewußtseinsprozeß bezeichnet - oder auch irrtümlich als solcher bezeichnet wird [7].
In Teil_2 stehen die letzte von Gotthard Günther veröffentlichte Arbeit sowie einige Texte von Rudolf Kaehr im Mittelpunkt, alle im pdf-Format: 1. "Identität, Gegenidentität und Negativsprache" (Gotthard Günther) Dazu gibt es das 2. Vorwort zu "Beiträge zur Grundlegung einer operationsfähigen Dialektik" - Band 1 (Gotthard Günther) In Anbetracht der Tatsache, daß Günther´s Arbeiten heute immer noch weitgehend unbekannt geblieben sind, erschien es uns wichtig, einmal einige der Rezensionen zu den Arbeiten von Gotthard Günther für den interessierten Leser zusammenzustellen. Wir betonen, daß diese Aufstellung nicht vollständig ist. 3. Einige GÜNTHER REZENSIONEN: Oskar BECKER in: Hegel Studien Bd.2 (1963) 322-325 Gotthard Günther: Idee und Grundriß einer nicht-Aristotelischen Logik. Band 1: Die Idee und ihre philosophischen Voraussetzungen. Hamburg: Meiner 1959. XXII, 417 S Max BENSE in: Merkur 14 (II), 1960, 687-690 Grundlagenforschung und Existenzbestimmung und Nachwort zu: "Beiträge zu einer operationsfähigen Dialektik" Werner FLACH in: Philosophischer Literaturanzeiger XIV (1961) p. 52-63 GOTTHARD GÜNTHER: Idee und Grundriß einer nicht-Aristotelischen Logik. 1. Bd.: Die Idee und ihre philosophischen Voraussetzungen. XXII; 417 S. Verlag von Felix Meiner, Hamburg 1959. Helmar FRANK Zeitschrift für philosophiche Forschung XVII (4) 1968, 724-727 Karl-Heinz LUDWIG: Pegasus als Reflexionsrest? Gotthard Günthers Theorie einer nicht-Aristotelischen Logik - Darstellung und Kritik. Zu der schon als polemisch formulierten Kritik von K.-H. Ludwig gibt es eine Anwort von R. Kaehr und J. Ditterich, die wir dem interessierten Leser ebenfalls zur Verfügung stellen, da sie gleichzeitig eine sehr kompetente Einführung in die Arbeiten von Gotthard Günther darstellt: 4. Einübung in eine andere Lektüre:
Diagramm einer Rekontruktion der Güntherschen Theorie der Negativsprachen Hiermit ist der Übergang zu dem zweiten Schwerpunkt von Teil 2 gegeben, der den Arbeiten von Rudolf Kaehr gewidmet ist und der in Teil 3 fortgesetzt werden wird. Zum allgemeinen Thema passend ist da zunächst eine Arbeit aus dem Jahr 1982, die der Allgemeinheit heute kaum noch zugänglich sein dürfte: 5. Einschreiben in Zukunft (Rudolf Kaehr) Wir haben weiterhin einen Artikel von Eva Meyer aus der taz (1985) sowie einen Artikel aus den Basler Nachrichten aus dem Jahr 1988 von Clemens Härle angeführt. Mit diesen Artikeln wollen wir unter anderen auch deutlich machen, daß die Arbeiten von Gotthard Günther durch die Arbeiten von Rudolf Kaehr nicht einfach nur wiederholt sondern eigenständig und ganz erheblich weitergeführt wurden. 6. Über den Begriff der transklassichen
Maschine Als Höhepunkt haben wir schließlich (mit freundlicher Genehmigung des Regisseurs und Produzenten Thomas Schmitt, http://www.tagtraum.de, Audioauszüge einer Fernsehsendung mit und über Rudolf Kaehr aus der Reihe "Freistil oder die Seinsmaschine, Mitteilungen aus der Wirklichkeit", die im Nachtstudio des WDR 3 Fernsehens ausgestrahlt wurde, internet-tauglich gemacht. Hierzu passend haben wir das Interview, welches Sandrina Khaled mit Rudolf Kaehr 1993 geführt hat, für diese WebSite aufbereitet : 7. Über Todesstruktur, Maschine und Kenogrammatik (S. Khaled / R. Kaehr) 8. Audioauszüge aus "Freistil, oder die Seinsmaschine" ( / R. Kaehr)
Fußnoten
[1] Hierbei möchten wir betonen, daß dies nur solange richtig ist, wie der Computer auf der Basis von mono-kontextural konzipierten Algorithmen arbeiten. Wir nennen das eine mono-kontexturale oder kurz, klassische Maschine, im Gegensatz zu einer Maschine, die auf der Basis poly-kontexturaler Algorithmen arbeitet. Letzteres wäre eine sog. trans-klassische Maschine.
[2] Zum Begriff des "Sein" siehe: G. Günther, "Das Rätsel des Seins" in: Beiträge zur Grundlegung einer operationsfähigen Dialektik, Band 2, S. 171-180, Meiner Verlag, Hamburg, 1979. - Zum Begriff des Sein siehe auch: G. Klaus und M. Buhr (Hrsg..) Philosophisches Wörterbuch, Berlin 1985: In der Geschichte der Philosophie hat der Begriff des Seins eine außerordentlich große Rolle gespielt, wobei sein Inhalt wesentlichen Veränderungen unterworfen war und in Abhängigkeit von der Beantwortung der Grundfrage der Philosophie verschieden interpretiert wurde. Eine dem Wesen nach materialistische Auffassung vom Sein vertrat PARMENIDES. Er hielt das eine, ewige, unbewegliche, unveränderliche und ungeteilte Sein für die materielle Substanz der Welt. Da nur Seiendes gedacht werden könne, sind Sein und Denken für ihn dasselbe, sie sind von gleicher Art. Im Gegensatz hierzu prägte PLATON eine extrem idealistische Auffassung des Seins, wonach wahres Sein nur den ewigen Ideen zukomme, während die materielle Welt nur der "Schatten" dieser Ideen sei und nur ein Werden kenne. Von besonderem Einfluß auf die weitere Entwicklung der Philosophie wurden die Auffassungen des ARISTOTELES über das Sein. Er gebraucht diesen Begriff in vielen Bedeutungen, aber die erste Bedeutung ist ihm diejenige, "in der man unter dem Seienden das ´Was´ versteht, das das Wesen bezeichnet", daher ist also "das erste Seiende, - das nicht nur ´an etwas' ist, sondern schlechthin ´ist´, das Wesen". Das ist aber die Form oder Gestalt, deren Sein allem zugrunde liegt. ARISTOTELEs betrachtete es als die Aufgabe der ersten Philosophie, das Seiende, sofern es ist, das Sein als solches, zu untersuchen. Aus dieser Fragestellung entwickelten sich die Metaphysik und Ontologie als philosophische Disziplinen.
[3] Eine literarisch brilliante Darstellung über das ´NICHTS´ ist in jüngster Zeit von Ludger Lütkehaus erschienen (L. Lütkehaus, "NICHTS", Haffmans Verlag, 1999). Lütkehaus schreibt in der Übersicht zu seinem Buch: "...Wenn diese Zivilisation Metaphysik trieb, war es eine Lichtmetaphysik. Wenn sie ihre Frohbotschaft verkündete, war es die des "Logos", des vom Geist erfüllten schöpferischen Wortes, in dem das Leben als das Licht war, das den Menschen leuchtete. Ihr philosophisch-theologischer Widerschein, der ontologische Glaube, der ihrer Apotheose des Schaffens zu Grunde lag, war die Identifikation des Seins mit dem Guten und des Guten mit dem seienderen Sein, des Nichtseins mit dem Schlechten und des Schlechten mit dem weniger, wenn überhaupt seienden Sein. Der "Positivismus", in einem umfassenderen Sinn als üblich verstanden, war und ist ihre Basisideologie...."
[4] Günther, G.: Idee und Grundriß Idee und Grundriß einer nicht-Aristotelischen Logik, Hamburg 1978, S. S. XV)
[5] Man siehe sich dazu beispielsweise die Arbeiten von Thomas Metzinger oder die Arbeiten von David J. Chalmers an, um hier nur zwei Autoren zu zitieren. Siehe auch: N.K.Logothetis, "Sehen und Bewußtsein", Spektrum der Wissenschaften, 1(2000) 37-43 (und die dort zitierte Literatur - http://www.spektrum.de/aktuellesheft.html)
[6] Julian Jaynes, Der Ursprung des Bewußtseins, Rowohlt, 1988 (als TB 1993) Er führt zu diesem Zweck im ersten Buch (Kapitel 2) einen Metaphorator (Operator) und Metaphoranden (Operand) sowie einen Paraphrator (Operator) und Paraphoranden (Operand) ein. Es müssen also simultan-parallel folgende Prozesse ablaufen:
wobei Jaynes folgende Unterscheidung zwischen Metaphorator und Paraphorator einführt: (Metaphorator, O ) | ((Metaphorator, O ) | ( Metaphorand, O )) =def ( Paraphrator, O ) | ( Paraphorand, O)
[7] Mit anderen Worten, man hat es mit Prozessen zu tun, bei denen ein Operator zum Operanden wird und umgekehrt. Siehe dazu: R. Kaehr and E. von Goldammer, "Poly-contextural modelling of heterarchies in brain functions", in: Models of Brain Functions, (R.M.J. Cotterill ed.) Cambridge University Press 1989, S. 483-497. (siehe auch die WebSite des ICS http://www.vordenker.de/ics/poly.htm ) | ||||||||||||||||||
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